München – In den vergangenen Tagen sorgten Bilder von leeren Supermarkt-Regalen immer wieder für Hamsterkäufe und die Frage: Ist unsere Lebensmittelsicherheit noch gewährleistet?
Von Deutschlands größtem Agrarhändler BayWa gibt es dazu jetzt klare Worte: „Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland und Mitteleuropa eine Ernährungs- oder Versorgungsproblematik haben werden“, sagte BayWa-Vorstands-Chef Klaus Josef Lutz gestern. Es sei „einfach Unsinn“, zum jetzigen Zeitpunkt etwa über eine Hungersnot in Europa zu sprechen. Russland und die Ukraine zählten bisher auf dem Weltmarkt zu den wichtigsten Exporteuren von Weizen, Mais und Ölsaaten wie Sonnenblumenkerne. 65 Prozent des weltweiten Exports von Sonnenblumenöl stammt aus der Ukraine und Russland. 28 Prozent der weltweiten Weizenlieferungen und 15 Prozent der weltweiten Maisexporte kommen aus den beiden Ländern.
Wegen des Kriegs geht BayWa davon aus, dass Getreide-Lieferungen in diesem Jahr größtenteils ausfallen. Allein in der Ukraine stehen laut Lutz 40 Millionen Tonnen Getreide „im Risiko“, weil ungewiss sei, ob geerntet beziehungsweise gesät werden kann. Europa ist jedoch nicht von diesen Lieferungen abhängig. „Die EU27, zu denen auch Frankreich und Deutschland gehören, sind der weltweit größte Weizenproduzent, können sich selbst versorgen, aber auch in andere Länder exportieren“, erklärt BayWa auf Anfrage unserer Zeitung.
Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet nicht mit Versorgungsengpässen in Deutschland. „Wir müssen nicht groß rationieren, es gibt genug Kalorien für die Bevölkerung“, sagte der HDE-Vizepräsident Björn Fromm dem ZDF.
BayWa rechnet derweil mit erheblich steigenden Lebensmittelpreisen. Die von Vorstands-Chef Lutz prognostizierte Preissteigerung von 15 bis 20 Prozent sei bereits erreicht. „Wir gehen aktuell davon aus, dass die Preise über die 20 Prozent hinaus weiter steigen werden – nicht nur aufgrund der Agrarrohstoffsituation, sondern weil die hohen Energiekosten die gesamte Lebensmittelverarbeitung verteuert hat“, so das Unternehmen zu unserer Zeitung.
Die Erzeuger- und Handelspreise in der Landwirtschaft waren schon vor Beginn des Kriegs gestiegen. Davon profitieren auch die Agrarhändler. Die Baywa steuert in diesem Jahr ein neues Rekordergebnis an. Der Konzern beliefert insbesondere im Süden Deutschlands die Landwirte mit Saatgut, Dünger, Landmaschinen und anderen Produkten. Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld des Mischkonzerns ist der Bau und Betrieb von Ökostrom-Kraftwerken. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um mehr als 20 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro.
Rasant steigende Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel könnten zu katastrophalen Hungersnöten im Nahen Osten und in Afrika führen.
Der Agrarwissenschaftler Matin Qaim rechnet „im schlimmsten Fall“ mit weltweit bis zu 100 Millionen mehr Hungernden, wie er in der „Welt“ erklärt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert deswegen, dass Kraftstoff aus Getreide nicht mehr gefördert wird. „Getreide und Pflanzenöl, das bei uns als Sprit im Tank landet, fehlt andernorts auf den Tellern der Menschen“, so Sascha Müller-Kraenner, DUH-Chef.