Frankfurt – Den Rekordbetrag von rund 70 Milliarden Euro und einen Spitzenreiter, den vor einem Jahr niemand auf dem Schirm hatte: Die Dividendensaison 2022 bringt für Aktionäre erstaunliche Entwicklungen. Knapp 650 von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in ihrer alljährlichen Dividendenstudie erfassten Aktiengesellschaften haben die Corona-Pandemie offenbar abgehakt und schütten 23 Milliarden Euro oder fast 50 Prozent mehr aus als im vergangenen Jahr.
An der Spitze steht die Reederei Hapag-Lloyd. Sie beglückt ihre Aktionäre und damit ihre Eigentümer für 2021 mit einer Dividende von 35 Euro je Aktie, was sich auf insgesamt 6,15 Milliarden Euro summiert. Das ist der erste Platz vor Mercedes mit 5,4 Milliarden Euro. Den letzten Dividenden-Höchststand hat die DSW mit 57,1 Milliarden Euro 2019 gemeldet. „81 Prozent der Gesellschaften kehren einen Teil der erwirtschafteten Gewinne an ihre Anteilseigner aus und damit fast so viele wie vor der Pandemie“, sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. 2020 waren es nur 65, ein Jahr später 76 Prozent. Nachdem die Unternehmen im vergangenen Jahr unter dem Eindruck der Corona-Lockdowns noch eher vorsichtig gewesen seien, würden die Aktionäre jetzt wieder in gewohntem Umfang am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen beteiligt, sagt Christian Röhl, Beiratsvorsitzender des Institute for Strategic Finance der Hochschule FOM. Im Dax mit seinen 40 Unternehmen steige die Dividendensummer vom gut 34 Milliarden auf 50,6 Milliarden Euro.
Im MDax mit 50 Firmen geht es von 6,3 auf sieben Milliarden nach oben, im SDax mit 70 Gesellschaften von 2,7 Milliarden auf drei Milliarden Euro. Weitere knapp 480 Nebenwerte zahlen Dividenden von insgesamt neun Milliarden Euro, nach nur knapp 3,4 Milliarden im vergangenen Jahr. Gleich vier Firmen überweisen ihren Aktionären mehr als doppelt so viel wie 2021. Puma vermeldet ein Dividendenplus von 350 Prozent, bei Mercedes sind es 270, bei BMW 205 und bei Covestro 162 Prozent.
Spitzenzahler im Dax hinter Mercedes ist die Allianz mit 4,4 Milliarden Euro vor BMW mit gut 3,8 Milliarden und VW mit knapp 3,8 Milliarden Euro. 33 der 40 Dax-Firmen zahlen mehr als 2021, nur bei Bayer und Henkel stagniert die Dividende. Kürzungen gibt es nicht.
In der zweiten Reihe liegt RTL mit 774 Mio. Euro an der Spitze. Dort müssen unter anderem die Anteilseigner von Lufthansa und Fraport wegen der Pandemie auf eine Dividende verzichten. Als verlässlichster Dividendenzahler erweist sich der Gesundheitskonzern Fresenius und die Tochter Fresenius Medical Care.
Trotz der Rekord-Ausschüttung von exakt 69,664 Milliarden Euro ist man bei der DSW aber nicht komplett zufrieden. Zwar ist der Anteil der ausgeschütteten Dividenden am Gewinn der Unternehmen wieder von 35 auf 41 Prozent gestiegen. Aber das Ziel, mindestens die Hälfte an die Eigentümer zu zahlen, sei immer noch weit entfernt.
Zudem sind die Dividendenbeschlüsse vor dem Ukraine-Krieg beschlossen worden. Die Dividenden-Entwicklung sollten Aktionärinnen und Aktionäre auch deshalb nicht in die Zukunft fortschreiben. Ein neuerlicher Dividendenrekord im nächsten Jahr sollte nicht erwartet werden. VON ROLF OBERTREIS