München – Das Katz-und-Maus-Spiel ums russische Erdgas geht in die nächste Runde. Nachdem die Bundesnetzagentur als Treuhänderin für die Tochter des russischen Energieriesen Gazprom Germania eingesetzt wurde, stellte sich heraus: Besonders viel gibt es nicht mehr zu verwalten.
„Zwei für Bayern wichtige Gasspeicher liegen im österreichischen Haidach und gehören den Gazprom-Töchtern Astora und GSA. Ersterer ist nur noch zu zwölf Prozent gefüllt, letzterer komplett leer“, erklärt Detlef Fischer, Chef des Verbandes bayerischen Energie- und Wasserversorger. Dieser Zustand trifft nach einer Bestandsaufnahme auf die meisten der Gazprom-Speicher in Deutschland zu, die etwa 20 Prozent der Speicherkapazität der Republik ausmachen: „Vermutlich hat die Gazprom damit gerechnet, dass ihre deutschen Töchter enteignet werden, und hat deshalb die Restbestände verkauft“, sagt Fischer.
Der Freistaat sei dabei besonders getroffen: „Die für Bayern relevanten Speicher sind insgesamt zu 14 Prozent gefüllt, rund 10 Prozentpunkte weniger als der Bundesdurchschnitt“, sagt Fischer.
Sollte es zu einem Importverbot für russisches Gas kommen, könnte auf weitere Rücklagen zurückgegriffen werden: „Wenn die bayerischen Speicher leer sind, können wir, wenn der Markt es hergibt, auf die Bestände aus dem Rest Deutschlands und Europas zurückgreifen und müssen mit den verbleibenden Lieferungen über Pipelines dann hauptsächlich aus Norwegen auskommen.“
Grundsätzlich sei bei einem Gas-Stopp jedoch Bevorratung angebracht: „Falls demnächst kein russisches Gas mehr nach Deutschland fließen sollte, sollten wir die Speicher nicht weiter entleeren, sondern das Gas für den Winter aufheben. Hier müsste bei Fehlentwicklungen wohl noch mal der Gesetzgeber einschreiten, da sowohl das Gas als auch die Speicher privaten Unternehmen gehören.“ Denn auf dem jetzt noch freien Markt würden die verbleibenden Vorräte schlicht an den Höchstbietenden, etwa die Industrie, verkauft. Tritt der Mangel tatsächlich ein, greifen Krisenmechanismen: „Wenn in ganz Deutschland das Gas knapp wird, schreitet die Bundesnetzagentur über den Bundeslastverteiler ein und entscheidet, wer wie viel Gas bekommt. Dabei sind private Haushalte besonders geschützt.“ Dabei müsste das bestehende Vertragsnetz zwischen Händlern, Versorgern und Verbrauchern jedoch umgestaltet werden: „Wichtig ist, dass in dieser Notfallsituation die Energieversorger von der Haftung entbunden werden, weil sie ihre Lieferverpflichtungen wegen des fehlenden Gases nicht einhalten können.“
Das würde den liberalen Gasmarkt komplett auf den Kopf stellen: „Der Staat müsste im schlimmsten Fall den Markt komplett übernehmen – das hat es noch nie gegeben.“
Auch die Wirkung der ersten Gegenmaßnahmen der Ampel-Regierung bleibe noch abzuwarten: „Spannend wird auch, wie das neue Gasspeichergesetz umgesetzt wird. Wenn die Speicher nicht über Marktmechanismen gefüllt werden, müssen die Fernleitungsnetzbetreiber – in Bayern etwa die Bayernets – das nötige Gas beschaffen“, sagt Detlef Fischer. Die Kosten würden dann über Netzentgelte und eine neue Umlage auf die Verbraucher umgelegt.
Auf das oft beschworene Flüssiggas (LNG), will Fischer indes nicht hoffen: „LNG ist im Grunde chemisch dasselbe Erdgas, das in Russland gefördert wird. Der Unterschied ist, dass es stark abgekühlt und daher verflüssigt per Schiff an die europäischen Küsten angeliefert wird.“ Dort werde es regasifiziert und über das europäische Netz bis nach Bayern transportiert. „Es ist allerdings ausgeschlossen, dass LNG aus den USA, Katar oder Nordafrika uns substanziell über den nächsten Winter helfen könnte. Denn die meisten Kapazitäten sind über viele Jahre in Abnahmeverträgen gebunden – wie wir sie noch mit Russland haben“, warnt Fischer. „Der Umstieg wird dauern und vor allem teuer, denn wir konkurrieren preislich mit großen Abnehmern in Asien.“ VON MATTHIAS SCHNEIDER