Berlin – Deutschland könnte nach Darstellung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) schon im laufenden Jahr ohne russisches Erdgas auskommen. Dafür müssten aber viel Energie eingespart und die Gaslieferungen aus anderen Ländern so weit wie technisch möglich ausgeweitet werden, wie das Institut am Freitag mitteilte. Der Anteil russischer Lieferungen beim Gas ist nach jüngsten Angaben der Bundesregierung inzwischen auf gut 40 Prozent gesunken – nach zuvor etwa 55 Prozent. Das DIW hat verschiedene Szenarien durchgerechnet, wie es ohne diese Lieferungen gehen könnte. Danach könnte mehr Flüssiggas aus Norwegen und den Niederlanden sowie über Terminals der Nachbarländer bezogen werden. Zudem könnten schwimmende Terminals für Flüssigerdgas an der deutschen Küste genutzt werden. Deutschland könne über virtuellen Handel auch mit Terminals in Südeuropa verbunden werden. Feste Terminals seien für Deutschland jedoch nicht sinnvoll, hob das Institut hervor. Ihr Bau dauere zu lange, zudem sinke mittelfristig der Erdgasbedarf. Das DIW hält große Einsparungen für notwendig, 18 bis 26 Prozent weniger Erdgasverbrauch seien möglich. Privathaushalte sollten etwa weniger stark heizen als gewohnt und weniger Warmwasser verbrauchen, die Industrie Wärme mit Strom, Kohle oder Biomasse erzeugen. Die Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass die Industrie ihren Erdgasverbrauch um bis zu ein Drittel senken kann. Dabei würde die Produktion allerdings vorübergehend deutlich sinken. Für stark betroffene Unternehmen und einkommensschwache Haushalte müsse es finanzielle Hilfen geben, hieß es. „Wenn das deutsche Energiesystem schnell angepasst wird, könnte im Lauf des Jahres 2022 der Wegfall russischer Erdgasexporte kompensiert und die Energieversorgung im kommenden Winter gesichert werden“, so das Institut. Dafür sei es auch notwendig, die deutschen Erdgasspeicher bis zu 90 Prozent aufzufüllen. dpa