Pharma-Pioniere steigen in Martinsried ein

von Redaktion

VON ANDREAS BEEZ

Im beschaulichen Würmtal hat die Zukunft längst begonnen. Genauer gesagt im Plan-egger Ortsteil Martinsried (Landkreis München). Er ist eine Art Herzkammer der deutschen Biotechnologie, hier erforschen und vermarkten Unternehmen unter anderem Arzneimittel der neuesten Generation. Dazu zählt auch die 2012 gegründete Formycon AG. Sie hat sich auf die Entwicklung sogenannter Biosimilars spezialisiert. Das sind Nachfolgeprodukte erfolgreicher, bereits zugelassener biopharmazeutischer Arzneimittel. Sie werden vor allem zur Behandlung chronischer Erkrankungen eingesetzt, etwa Krebs, Rheuma oder Multiple Sklerose (MS).

Auch die Zwillinge Andreas und Thomas Strüngmann (72) haben früh das Potenzial von Biosimilars erkannt.

Über Beteiligungsgesellschaften engagierten sie sich bereits seit dem Jahr 2013, beziehungsweise 2017 in der Entwicklung der Formycon-Biosimilar-Kandidaten gegen die gefürchtete Augenerkrankung altersbedingte Makuladegeneration (AMD) sowie gegen Schuppenflechte und entzündliche Darmerkrankungen.

Diese Biogenerika-Kandidaten mit den Entwicklungsnamen FYB 201 (Biosimilar zum ophthalmologischen Medikament Lucentis) und FYB 202 (Biosimilar zum immunologischen Medikament Stelera) bringen die Strüngmann-Brüder jetzt in die Formycon AG ein.

Es ist Teil eines Aktien- und Beteiligungsgeschäfts mit einer Größenordnung von circa 650 Millionen Euro. Damit steigen die Investoren mit rund 27 Prozent zum größten Einzelaktionär von Formycon auf. „Durch den Ausbau der kommerziellen Rechte an den beiden Biosimilar-Kandidaten ergeben sich für Formycon deutlich größere Erlöspotenziale. Das hebt uns auf ein neues, höheres Level“, erläuterte Formycon-Finanzchef Nicolas Combé im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Für uns ist das eine wirklich große Transaktion. Wir sehen sie als Startpunkt für ein neues transformatives Kapitel in der Formycon-Geschichte – mit tollen Investoren, die unternehmerisch langfristig denken. Das sind ideale Bedingungen, um ein großes Unternehmen zu entwickeln.“

Der Biosimilar-Markt ist attraktiv – weil zunehmend Patente auslaufen und Mittel mit derselben Wirkweise wie das Originalpräparat auf den Markt kommen. Biosimilars spülten allein 2019 zwölf Milliarden Euro in die Kassen der Hersteller, der Umsatz soll bis 2030 auf 60 Milliarden steigen. Das Geschäft mit Generika kennen die Gebrüder Strüngmann aus dem Effeff – insofern ist der Formycon-Einstieg eine Art Rückkehr zu ihren Wurzeln. Sie gründeten unter anderem das Pharmaunternehmen Hexal in Holzkirchen, das sich später zu Deutschlands zweitgrößtem Generikahersteller mauserte. Der vermutlich größte Deal der beiden Geschäftsleute war ihre Investition in den Corona-Impfstoff-Hersteller Biontech, den sie mit 180 Millionen Dollar Startkapital ausstatteten. Heute sind die Strüngmanns zu knapp 50 Prozent an Biontech beteiligt. Die Brüder zählen zu den reichsten Deutschen, ihr Vermögen beläuft sich auf jeweils 24 Milliarden Euro. Bei der Formycon engagieren sie sich über ihr Family Office ATHOS – und übertragen auch ihre Biosimilar-Entwicklungsfirma Bioeq mit 20 Mitarbeitern an das Martinsrieder Unternehmen. Damit arbeiten bald circa 200 Mitarbeiter für die Formycon AG.

„Wir haben unser Personal inzwischen versechsfacht und streben weiteres Wachstum an. Wir wollen ein global führendes Unternehmen im Bereich der Biosimilars aufbauen“, betonte Finanzchef Combé. Auch räumlich hat Formycon bereits ordentlich expandiert. „Wir haben mit zwei Stockwerken in unserem Firmengebäude angefangen, jetzt belegen wir fast das gesamte sechsstöckige Gebäude.“

Eine zusätzliche Erweiterung in Martinsried ist zumindest mittelfristig geplant. Die Ausgangslage sei gut – und die Pharmaindustrie habe auch durch die Corona-Pandemie zusätzlich an Bedeutung gewonnen. „Die Politik hat erkannt, dass Themen wie die Versorgungssicherheit durch Produktion in Deutschland und Europa sehr wichtig sind.

Das gilt auch für unsere Biosimilars und die Bemühungen, sie einer breiten Masse der Bevölkerung zugänglich zu machen“, so der Formycon-Finanzchef weiter. „Das ist ein sehr relevantes wirtschaftliches Feld und damit auch eine schöne Perspektive für Martinsried, weil es das führende Biotech-Cluster in Deutschland ist und damit als Magnet für die Ansiedlung solcher Unternehmen dient.“

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