Das erste deutsche Robotik-Einhorn

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Peter Meusel sprüht vor Begeisterung, wenn er die Vorzüge von Diane 7 erklärt. „Er kann nicht nur ein bestimmtes Smartphone-Modell bauen, sondern verschiedene oder andere filigrane Produkte“, schwärmt der Mitgründer des deutschen Roboter-Startups Agile Robots aus München. Diane 7 ist ein Leichtbauroboter des Jungunternehmens, der sich über diverse Gelenke wie eine Schlange winden und über eine Roboterhand recht feinfühlig greifen kann. Mit diesem Modell betritt Agile Robots nun auch den europäischen Markt und zieht dazu in Kaufbeuren gerade eine erste deutsche Roboter-Fertigung hoch.

Roboter baut das 2018 gegründet Unternehmen schon seit zwei Jahren bislang aber nur in China. Das hat auch mit dem zweiten Gründer Zhaopeng Chen zu tun. Der 38-jährige Chinese hat sich mit dem 61-jährigen Meusel beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) der Robotik verschrieben und gute Kontakte in seine chinesische Heimat. „Wir wollten nicht mehr nur forschen, sondern smarte Roboter auf den Markt bringen“, erklärt der gebürtige Bayer Meusel den Gründungsakt.

Mit dieser Haltung war das Gründerduo nicht allein. Von den heute 600 Beschäftigten hat etwa jeder achte eine DLR-Vergangenheit. „Es war völlig klar, dass wir uns zunächst auf den asiatischen Markt konzentrieren wollen“, erklärt Automatisierungstechniker Meusel. Vor allem Firmen in China seien aufgeschlossener für moderne Robotertechnik als solche in Deutschland, wo die Furcht vor menschenleeren Fabriken ein inzwischen schwindendes Hemmnis war.

Beim Handy-Auftragsfertiger Foxconn aus Taiwan sind Agile-Roboter folglich bereits im Einsatz. „Unsere Fokus-Branchen sind Elektronik- und Automobilindustrie“, erklärt Agile-Vertriebschef Sebastian Lange. In der Autobranche sind zu BMW erste Kontakte geknüpft. „Handys mit Robotern zu bauen ist viel schwieriger als Autos, weil sie viel filigraner sind“, betont Lange und sieht deshalb auch einiges Fertigungs-Know-how im eigenen Haus. Einen ersten deutschen Kunden aus dem Bereich Maschinenbau will man im Juni zur Automatica in München, der deutschen Leitmesse für intelligente Automation und Robotik, präsentieren.

Das soll dann die Initialzündung für den Heimatmarkt sein. „Wir haben Kinderkrankheiten überwunden und kommen nun auf den europäischen Markt“, erklärt Meusel den Schritt. Die Fertigung in Kaufbeuren ist erst einmal auf bis zu 2500 Roboter jährlich ausgelegt. Das knapp Dreifache wollen die Münchner in China fertigen. Aber Roboter bauen können viele Firmen, sagen Meusel und Lange. Das gilt jedenfalls, wenn man die Sicht auf Hardware beschränkt. „Intelligente Software und künstliche Intelligenz sind hier ganz klar die Zukunft“, sagt Meusel zu neuen Entwicklungssprüngen in der Robotik. Für sein Start-up nimmt der Mitgründer in Anspruch, den technologischen Trend maßgeblich zu treiben und auch die Steuerung von Robotern zu vereinfachen. Die Software von Agile Robots könne zudem auch Roboter anderer Hersteller steuern.

Mit dieser neuen Generation intelligenter und flexibler Roboter, die mit Menschen Hand in Hand arbeiten können, glauben die Münchner den Weltmarkt erobern zu können. „Agile Robots ist ein international agierendes Unternehmen“, sagt Meusel zum eigenen Anspruch. Um dem gerecht zu werden, ist in den nächsten Jahren auch der Gang an eine große Börse geplant. Ob Hongkong, New York oder Frankfurt ist noch offen. Derzeit hat Agile Robots ausreichend Geld, betonen die Manager. Bei einer jüngsten Finanzierungsrunde hat man den Status eines Einhorns erreicht.

Als solches bezeichnet man Jungunternehmen, die Investoren mit über einer Milliarde Dollar bewerten. Die Münchner sind damit das erste deutsche Robotik-Einhorn überhaupt. Sie wollen sich nun auch in der Industrie rasch einen Namen machen. Rund 30 Millionen Euro Umsatz standen voriges Jahr zu Buche, was rasch in eine weit größere Dimension wachsen soll.

Genaue Prognosen verkneift man sich. Aber weitere Fertigungsstätten in Indien und den USA sind schon in Planung. „Bei Agile Robots wollen wir Robotik auf die nächste Stufe heben“, sagt Meusel und denkt offenkundig nicht gerade klein.

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