Der Druck auf Immobilienkäufer steigt

von Redaktion

VON CARSTEN HOEFER

München – Inflation und steigende Zinsen befeuern die Suche nach Häusern und Wohnungen in Deutschland. Sowohl die Landesbausparkassen als auch der Finanzierungsvermittler Interhyp berichten über eine stark gestiegene Nachfrage seit Jahresanfang – offensichtlich getrieben von der Sorge, Immobilien und Zinskosten könnten noch teurer werden. Für finanziell weniger gut gerüstete Interessenten würden Eigenheim oder -wohnung wegen der doppelten Last gleichzeitig steigender Zinsen und Baukosten noch schwerer erschwinglich, heißt es in der Finanzbranche und auch am Münchner Ifo-Institut.

So hat die Landesbausparkasse Bayern in den ersten vier Monaten dieses Jahres rund 890 Millionen Euro an Darlehen zugesagt. „Das sind über 70 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres“, berichtet ein Sprecher in München. „Die Zahl der Anfragen und Abschlüsse ist in 2022 bisher deutlich höher als in den letzten Monaten des vergangenen Jahres“, sagt auch Mirjam Mohr, Vorstandsmitglied beim Finanzierungsvermittler Interhyp. Das Münchner Unternehmen führt das vor allem auf den starken Zinsanstieg zurück. „Viele unserer Kundinnen und Kunden sind besorgt: Sie sehen das steigende Zinsniveau und empfinden einen Druck, sich noch schnell günstige Zinsen zu sichern“, sagt Mohr. Die über Jahre extrem niedrigen Zinsen machten stetig steigende Immobilienpreise für viele Käufer erträglicher. Diese Zeiten scheinen vorbei. „Es zeichnet sich eine Zinswende ab“, sagt der Ökonom Ludwig Dorffmeister, Fachmann für Bau und Immobilienmarkt am Münchner Ifo-Institut. „Die Interessenten, die sich in den vergangenen Jahren einen Immobilienerwerb nur wegen der extrem niedrigen Zinsen leisten konnten, fallen jetzt aus dem Markt.“ Seit Jahresbeginn sind die Zinsen für zehnjährige Darlehen nach Interhyp-Zahlen von einem auf 2,6 Prozent Anfang dieses Monats gestiegen – „sie haben sich also mehr als verdoppelt“, sagt Vorständin Mohr. Im ersten Quartal 2021 waren es noch 0,8 Prozent. „Wir erwarten weitere Zinssteigerungen und halten im Jahresverlauf drei Prozent für zehnjährige Darlehen für realistisch.“ Die hohen Immobilienpreise, verbunden mit dem Zinsanstieg, seien „zunehmend ein Problem für die Leistbarkeit“.

Der Zinsanstieg bei zehnjährigen Darlehen von einem auf 2,6 Prozent bedeute bei einem Immobilienkredit über 300 000 Euro und einer anfänglichen Tilgung von drei Prozent den Anstieg der monatlichen Rate von 1000 auf 1400 Euro, rechnet Interhyp-Vorstandsmitglied Mohr vor – in zehn Jahren wären das 48 000 Euro. Bei 500 000 Euro Kreditsumme würden sich die Zinsmehrkosten in einem Jahrzehnt auf rund 80 000 Euro summieren.

Und es sind nicht allein die Zinsen, die steigen. Der Materialmangel im Baugewerbe habe sich seit den Corona-Turbulenzen verschärft, sagt Ifo-Experte Dorffmeister. „Mit einem Anstieg der Hochbaupreise um fast 10 Prozent war der Kostendruck vergangenes Jahr bereits immens. Seit März dieses Jahres dürfte sich das Preiswachstum sogar noch einmal beschleunigt haben.“

Entspannung scheint vorerst nicht in Sicht. „Mit einer wesentlichen Beruhigung ist bis zum Sommer/Herbst nicht zu rechnen, auch weil sich die Hafensperrungen in China hierzulande erst mit einiger Verzögerung bemerkbar machen werden“, sagt der Wissenschaftler.

Könnte die doppelte Last steigender Zinsen und steigender Baukosten eine Immobilienkrise nach sich ziehen?

Prognosen seien derzeit extrem schwierig, sagen die Fachleute. Ifo-Experte Dorffmeister könnte sich einen „gewissen Dämpfer beim Mehrfamilienhausbau“ vorstellen. „Ich teile aber nicht die Sorge, dass es zu einem Immobiliencrash kommen könnte. Vielerorts gibt es eine substanzielle Wohnraumnachfrage, und die Kreditfinanzierung war bis zuletzt weitestgehend solide.“

Artikel 2 von 3