München – Die Technologiebörse Nasdaq ist unter Druck geraten. Seit Jahresanfang ist der Nasdaq-Index über 20 Prozent im Minus, weit mehr als der deutsche Dax, allein Montag brachen die Tech-Titel um vier Prozent ein. Doch warum ist das so? Wir haben bei Martin Lück nachgefragt. Er ist Kapitalmarktstratege beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock, der rund zehn Billionen Dollar an Anlagegeldern verwaltet.
Herr Lück, die Technologiebörse Nasdaq ist zuletzt stark abgestürzt. Was sind die Gründe?
Die US-Notenbank hat vor Kurzem die Zinsen drastisch erhöht und wird sie auch in den kommenden Monaten weiter anheben. Das schadet Wachstumsaktien am stärksten und zu denen zählen auch die Technologietitel an der Nasdaq. Der Grund dafür ist, dass erst in der Zukunft erwirtschaftete Gewinne durch die höheren Zinsen vereinfacht gesagt nicht mehr so viel wert sind, weshalb Wachstumstitel an Attraktivität verlieren. Das ist reine Finanzmathematik.
Das ist alles?
Das ist zumindest der Hauptgrund. Aber es gibt noch einen weiteren. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich große Teile des Lebens in das Internet verlagert. Meetings und Geschäftsreisen wurden durch Video-Konferenzen ersetzt. Statt auf ein Konzert zu gehen hat man Musik gestreamt. Statt in einem Restaurant zu essen, hat man sich etwas nach Hause bestellt. Und statt sich abends mit Freunden zu treffen, hat man eine Serie angeschaut. Das hat einigen Unternehmen kurzfristig sehr gute Geschäfte beschert und deren Aktienkurs stark steigen lassen. Nun normalisiert sich das Leben wieder, weshalb diese Sonderkonjunktur vorbei ist. Deshalb geben auch die Kurse der Profiteure des Digitalisierungsschubes nach. Das ist ein ganz normaler Effekt.
Während manche Tech-Werte wie Netflix in kurzer Zeit zwei Drittel verloren haben, sind andere Titel wie etwa Apple stabil geblieben. Woran liegt das?
Es gibt schon Unternehmen, deren Geschäftsmodelle exponierter und anfälliger für Krisen sind, während andere sehr resilient sind und auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld gute Geschäfte machen. Diverse Geräte, Dienste und Anwendungen haben einen so zentralen Platz in unserem Leben eingenommen, dass sie fast unverzichtbar geworden sind.
Technologieaktien waren in den letzten Jahren die großen Favoriten der Anleger. Ist das mit der Zinswende nun vorbei?
Wachstums- und Technologieaktien haben in den vergangenen Jahren tatsächlich sehr hohe Gewinne gemacht und mussten wegen der Zinswende nun besondere Einbußen verzeichnen. Ob das aber bedeutet, dass sie auch langfristig schlechter abschneiden als vorher, wird sich wohl erst in den nächsten Monaten zeigen. Ich bin mir nicht so sicher, ob sich die Börsenwelt wirklich komplett ändern wird. Zumal viele Tech-Titel jetzt auch wieder viel günstiger sind als noch vor einigen Wochen.
Was glauben Sie, geht die große Korrektur an den Börsen nun weiter?
Auch das muss sich zeigen. Insgesamt wird sich die Börsenwelt aber trotz Zinswende vermutlich nicht komplett ändern. Die Realzinsen sind zum Beispiel immer noch negativ. Das heißt: Mit Zinsanlagen verliert man nach Abzug der Inflation real Geld. Außerdem liegen immer noch große Ersparnisse auf den Konten herum und warten darauf, investiert zu werden. Fließt dieses Kapital Stück für Stück in die Aktienmärkte, sollte das die Kurse stützen.
Interview: Andreas Höß