Der Euro hat zum Dollar dramatisch an Wert verloren, im Moment bekommt man für einen Euro nur 1,04 Dollar und damit so wenig wie zuletzt im Jahr 2016. Außerdem stürzte Europas Gemeinschaftswährung ziemlich rasant ab. Vor einem Jahr stand der Eurokurs noch bei fast 1,23 Dollar. Doch weshalb verliert der Euro so massiv an Wert? Und wo spürt man das am stärksten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Weshalb verliert der Euro so stark an Wert?
Der Hauptgrund ist die Geldpolitik. Um die hohe Inflation zu bekämpfen, hat die US-Notenbank Fed die Zinsen in den USA bereits spürbar erhöht und weitere Zinserhöhungen angekündigt. Die Europäische Zentralbank (EZB) will den ersten Zinsschritt hingegen erst im Juli wagen. Die höheren US-Zinsen locken deshalb Kapital über den Atlantik, was den Dollar zum Euro aufwerten lässt.
Doch die Euroschwäche ist nicht nur auf eine Dollarstärke zurückzuführen. Auch der Krieg in der Ukraine spielt auf den Währungsmärkten eine Rolle. Europas Unternehmen sind wirtschaftlich enger mit der Ukraine und Russland verflochten als US-Konzerne. Europa ist auch stärker auf russische Energielieferungen angewiesen und könnte in eine Wirtschaftskrise rutschen, wenn diese ausbleiben. Wegen dieser Unsicherheiten ziehen internationale Investoren Kapital aus Europa ab, was den Euro zusätzlich schwächt.
Was heißt das für Urlauber und Verbraucher?
Wer in die USA in den Urlaub fliegt, merkt sofort, dass der Euro international weniger Kaufkraft hat. Wer zum Beispiel ein Ticket für das berühmte Disneyland in Kalifornien für 149 Dollar kauft, zahlt dafür derzeit umgerechnet 143 Euro, vor einem Jahr waren es nur etwa 120 Euro.
Aber nicht nur Urlauber spüren die Euroschwäche. Auch in Deutschland werden importierte Produkte teurer. Das gilt etwa für Elektrogeräte, die aus den USA kommen und für die deutsche Großhändler Dollarpreise bezahlen. Die Händler geben die durch Währungseffekte entstandenen höheren Einkaufskosten sukzessive an Endkunden weiter. Aber auch Rohstoffe werden auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt und für Deutschland teurer. Das betrifft nicht nur Öl und Gas, sogar beim morgendlichen Kaffee bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Wegen Ernteausfällen in Brasilien ist der Kaffeepreis in Dollar seit Mai 2021 um fast 50 Prozent gestiegen, in Euro gerechnet betrug das Preisplus aber satte 72 Prozent. Tchibo und andere Kaffeekonzerne haben deshalb längst mit Preiserhöhungen reagiert.
Hilft der schwache Euro der deutschen Wirtschaft?
Deutschland ist Exportweltmeister, viele deutsche Firmen verkaufen einen großen Teil ihrer Waren im Ausland. Das gilt zum Beispiel für Auto- und Maschinenbauer oder für Chemiekonzerne. Für sie ist ein schwacher Euro gut, weil er ihre Produkte im Ausland billiger und ihre Dollar-Einnahmen in Euro gerechnet wertvoller macht. Solche Währungseffekte sind nicht zu unterschätzen. Jeder Cent, den der Euro zum Dollar nachgebe, bedeute für Infineon pro Quartal 15 Millionen Euro mehr Gewinn, rechnete der Münchner Chiphersteller 2021 vor. Bei einem Wertverlust des Euro zum Dollar von fast 20 Cent in einem Jahr summiert sich das gewaltig. So überrascht es nicht, dass exportstarke Konzerne wie BMW, Linde oder Bayer zuletzt trotz Unsicherheiten und Materialknappheit hohe Gewinne meldeten.
Umgekehrt belasten die hohen Kosten für Rohstoffe und Energie die Wirtschaft zunehmend. Laut einer Umfrage des Münchner ifo-Instituts müssen so viele Unternehmen wie nie die Preise anheben, um profitabel zu bleiben, vor allem aus dem Groß- und Einzelhandel und der Industrie. Wie in anderen Bereichen verschärft der schwache Euro die durch Ukraine-Krieg und Lieferprobleme entstandenen Preisanstiege zwar nur, das aber spürbar. Das sieht man etwa bei Nickel. Das Metall kommt oft aus Russland und wird in Batterien von Elektroautos verbaut. Wegen drohender Lieferengpässe durch den Ukraine-Krieg stiegen die Nickel-Notierungen in Dollar in einem Jahr um 55 Prozent, in Euro sogar um 80 Prozent.
Ist die Euro-Schwäche für Anleger schädlich?
Auch an den Finanzmärkten haben Währungseffekte große Folgen. Beispiel Gold: Wie andere Rohstoffe wird auch das Edelmetall in Dollar gehandelt. Hinzu kommt, dass der Goldpreis meist sinkt, wenn der Dollar zulegt. Das ist momentan der Fall. Im März kostete die Feinunze noch fast 2050 Dollar, nun ist der Preis auf rund 1800 Dollar gefallen. Für deutsche Anleger kompensiert der schwache Euro den Rückgang aber. Während der Goldpreis in Dollar fast drei Prozent niedriger ist als vor einem Jahr, ist er in Euro um über 13 Prozent gestiegen.
Dieser Effekt ist übrigens nicht nur bei Gold zu beobachten, sondern auch bei Aktien. So machten die an der Nasdaq gelisteten US-Technologieaktien in Dollar in einem Jahr rund sieben Prozent Verlust, Euro-Anleger erzielten wegen günstiger Wechselkurse aber trotzdem unter dem Strich sieben Prozent Gewinn mit ihnen. Kurzfristig spielt der schwache Euro deutschen Aktionären also sogar in die Karten, sofern sie ihr Geld weltweit angelegt haben. Mittelfristig gleichen sich solche Währungseffekte an den Börsen aber meist aber wieder aus, weshalb das Pendel irgendwann zurückschwingen dürfte.
Wie weit wird der Euro zum Dollar noch fallen?
Im Moment ist die Gemeinschaftswährung nur noch wenige Cent von der Parität entfernt, bei der ein Euro einen Dollar kostet. Ob der Euro noch unter die wichtige Marke fallen wird, die er zuletzt vor etwa 20 Jahren gerissen hat, ist unter Analysten umstritten. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht derzeit nicht davon aus. Der Zinsunterschied zwischen Deutschland und den USA sei nun eingepreist, weshalb der Ökonom damit rechnet, dass sich der Euro wieder etwas erholt, sobald die EZB die Zinsen anhebt. „Einen Fall unter die Parität wird es nur geben, wenn die EU ein Gasembargo gegen Russland beschließt“, warnt Krämer in einem Marktkommentar. Denn: Ein Einfuhrverbot für russisches Gas würde eine Rezession auslösen und die EZB zwingen, ihre geplanten Zinserhöhungen abzublasen, um Europas Wirtschaft zu stützen. „Damit würde Europas Zinsnachteil noch größer werden und der Euro abstürzen.“