München – Der Weg zum autonomen Fahren ist beschwerlicher als erhofft. Die Bahn und MAN setzen nun an einer Engstelle des Transportwesens an: der Verknüpfung von Lkw und Schiene.
Sind der Güterverkehr auf der Straße und der Schiene erbitterte Konkurrenten? Das muss nicht sein. Sigrid Nikutta, Vorstand Güterverkehr der Bahn AG, und Frederik Zohm, Entwicklungsvorstand von MAN, trommelten gestern für ein Projekt, bei dem beides sich wechselseitig ergänzen soll. „Anita“ klingt wie der Vorname, steht aber für „Automatische Innovation im Terminalablauf“. Terminals, das sind die Umschlagplätze, wo Container vom Lkw auf Züge umgeladen werden oder vom Zug auf einen Lastwagen. Und diese Terminals sind eher Relikte einer Zeit, als mit viel Papierkram und eingefahrenen Prozeduren gearbeitet wurde, als ein Ausdruck moderner Güterlogistik.
Das soll sich ändern. Der Flaschenhals zwischen Straße und Schiene soll digitalisiert und weitgehend automatisiert und damit durchlässiger werden. Ein Schlüssel dazu sind autonom agierende Fahrzeuge.
Auf der Teststrecke von MAN Truck & Bus im Münchner Norden navigierte gestern ein Lastzug vollautomatisch. Der Mann am Steuer war nur noch Aufseher. Das ist aber nur ein Bestandteil. Denn Automatisierung bedeutet, dass die Systeme auf den Umschlagplätzen weitgehend ohne Menschen auskommen: Nicht nur der Lkw, sondern auch die Schienenfahrzeuge sowie die Kräne und Stapler, die die Container von einem Verkehrsmittel zum anderen bringen.
Und auch der Papierkram soll wegfallen. Nikutta erwartet sich einen reibungslosen Betrieb rund um die Uhr, optimierte Abläufe und schnellere Wege von Gütern auf dem Weg zu ihren Abnehmern. Noch ist da viel Arbeit zu leisten. Denn Menschen sind zwar fehlerhaft, aber kreativ.
Wenn auf der Fahrbahn eine kleine Thermoskanne steht, ist die Maschine von der Situation überfordert. „Der Fahrer steigt aus und stellt sie auf die Seite“, erklärt Zohm. „Die Maschine kann nur das, was man ihr vorher beigebracht hat“, sagt Christian Haas von der Hochschule Fresenius, der „Anita“ wissenschaftlich begleitet. Es ist also noch viel Entwicklungsarbeit notwendig, bis die autonom agierenden Fahrzeuge so viele Situationen erlernt haben, dass ihre größere Zuverlässigkeit den Nachteil fehlender Kreativität und Intuition ausgleichen können. Bis Ende des Jahrzehnts könnte es soweit sein, hofft MAN Entwicklungschef Zohm. Nur auf dem abgeschlossenen Gelände eines Terminals? „Nein, ich hoffe, auch auf der Straße“.
MARTIN PREM