Bahn plant Generalsanierung

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München/Berlin – Eigentlich könnte DB-Chef Richard Lutz ganz zufrieden sein. Es läuft für sein Unternehmen – und auch für ihn persönlich. Gerüchte, dass die neue Ampel-Bundesregierung den seit 2017 amtierenden Vorstandschef des DB-Konzerns ablösen würde, sind verstummt, Lutz sitzt fest im Chefsessel. Er hat das Unternehmen leidlich gut durch die Corona-Krise manövriert – und jetzt schnellen die Fahrgastzahlen sogar in ungeahnte Höhen.

Auslastung

Die Deutschen haben wieder Reiselust, vielleicht mehr als je zuvor, und das spiegelt sich auch in den DB-Zahlen wider. Am vergangenen Sonntag wurde mit 550 000 Fahrgästen im Fernverkehr „eine Schallmauer“ durchbrochen, vermeldet Lutz am Montag. Der ablaufende Monat werde mit 13,5 Millionen Fahrgästen in ICE und IC zudem „der beste Mai in der DB-Geschichte“.

Pünktlichkeit

Doch euphorisch ist das DB-Management deshalb nicht. Denn die Pünktlichkeitswerte im Fernverkehr sind im Keller, Kunden klagen über Verspätungen und Zugausfälle. Die Bahn wird ihr Pünktlichkeitsziel auch 2022 nicht erreichen. Bislang seien in diesem Jahr knapp über 70 Prozent der Fernzüge pünktlich gewesen. Man müsse kein Prophet sein, um zu sehen, dass die angestrebten 80 Prozent im Gesamtjahr nicht erreicht werden. Die Bahn werde „signifikant“ darunter liegen, sagte Lutz. „Das ist nicht schön, das ist alles andere als erfreulich.“

Nach Bahn-Definition gelten Züge als pünktlich, die weniger als sechs Minuten nach Fahrplan ankommen. Im vergangenen Jahr waren 75 Prozent der ICE, Intercity und Eurocity pünktlich gewesen.

Baustellen

Für Lutz zeigt „die aktuelle Betriebslage ein kaum auflösbares Dilemma“: Immer mehr wollen Bahn fahren – auf einem Streckennetz, das auf Verschleiß gefahren ist. Nie gab es so viele Baustellen bei der Bahn wie heute. „Ein Weiterso ist keine Alternative“, sagt Lutz. Relativ ungeschminkt schildert er die Lage: Die Substanz habe sich „weiter verschlechtert“, Anlagen wie Weichen oder Stellwerke seien überaltert und störanfällig. Vor allem die zentralen Fernverkehrskorridore machen Sorgen. Auf zehn Prozent des Streckennetzes fahren 25 Prozent aller Züge, und genau diese Strecken müssen bald saniert werden.

Im Einzelnen nennt die Bahn den Knoten Hamburg–Hannover, das Mittelrheintal von Köln Richtung Süden, die Bahnknoten Frankfurt, Stuttgart und München, die Strecken am Oberrhein (Mannheim–Basel) und an Rhein/Ruhr rund um Dortmund, Duisburg und Düsseldorf. Zudem muss auch die Strecke Würzburg–Nürnberg ausgebaut werden – sie ist ein Nadelöhr und nur zweigleisig befahrbar.

Hochleistungsnetz

Der neue zentrale Begriff lautet Hochleistungsnetz. Lutz benutzt ihn am Montag gleich mehrfach. Die Bahn will die viel befahrenen Strecken gezielt modernisieren, sodass ein Hochleistungsnetz entsteht. Ab 2024 müssten jedes Jahr „zwei bis drei“ der Korridore in Angriff genommen werden. Ziel ist es, danach „Baufreiheit für mehrere Jahre“ zu erreichen.

Abgeschlossen werden soll die grundlegende Sanierung des 3500 Kilometer langen Kernnetzes in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre. Die konkreten Schritte für den Aufbau eines „Hochleistungsnetzes“ würden zwischen der Bahn, dem Bund und Vertretern der Branche koordiniert, sagte Lutz.

Die Bahn will dabei ihr Baustellenmanagement umstellen. Die Devise ist, lieber eine große und längere Baustelle als vieler kleiner, die immer wieder Sperrungen erforderlich machen. Diese „Generalsanierung“ wird aus Gewerkschaftssicht den Fahrgästen viel Geduld abverlangen. „Die Bahnverkehrsunternehmen und die Kunden werden durch ein Tal der Tränen gehen“, sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Klaus-Dieter Hommel. Ziele wie die Verdoppelung der Fahrgastzahl und der einheitliche Fahrplantakt für Deutschland seien damit aber unrealistisch. „Es wird Jahre dauern, bis es besser wird. Aber die Kunden werden das honorieren, weil die Situation auf der Straße auch nicht besser wird und sie umweltbewusst sind.“ mit Material von dpa

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