München – Ein Gasembargo soll dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine den Wind aus den Segeln nehmen. Doch auch für die bayerische Wirtschaft würde das Flaute bedeuten.
„Der Bruttowertschöpfungsverlust würde sich auf 40 Milliarden Euro belaufen, in Deutschland sind es 200 Milliarden“, erklärt Norbert Peine vom Arbeitgeberverband Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw).
Er zitiert dabei aus einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle. Die Wissenschaftler haben dafür die möglichen Folgen eines Embargos auf russisches Gas ermittelt. Denn Gas aus Russland decke immer noch 35 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs. Weil 50 Prozent für geschützte Verbraucher wie Privatkunden oder Krankenhäuser vorgesehen sind, sei klar: „Es wird nicht für alle reichen“, so Norbert Peine. Die Folge wäre ein physischer Gasmangel, bei dem die Bundesnetzagentur entscheidet, welche Verbraucher – mit einer Anschlusskapazität größer zehn Megawatt – abgeschaltet werden. Dabei würde etwa berücksichtigt werden, ob lebenswichtige Güter wie Nahrungsmittel oder Medikamente hergestellt werden. Damit wäre Bayern als starker Metall-, Elektro- und Chemiestandort besonders betroffen.
Bei kurzfristiger Nichtverfügbarkeit von Gas müssten 22 Prozent der Betriebe im Freistaat den Geschäftsbetrieb einstellen. „Unter den energieintensiven Betrieben wäre es sogar jedes dritte Unternehmen – und weitere 17 Prozent wären in hohem Maße negativ betroffen“, sagt Norbert Peine. Damit würde ein Gas-Stopp 40 Prozent der Unternehmen „dramatisch“ treffen.
Für Oberbayern stünden damit 17 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung auf dem Spiel, sieben Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Daran hängen laut vbw 176 000 Arbeitsplätze.
Mit über 64 000 Stellen entfällt der Löwenanteil auf die Stadt München, mit weitem Abstand gefolgt vom Landkreis mit über 18 000 Arbeitsplätzen. Relativ gesehen sind das jeweils 5,6 beziehungsweise 6,2 Prozent aller Stellen. Anteilig schwerer getroffen wären die Landkreise Altötting, Weilheim-Schongau und Traunstein, wo viel verarbeitendes und energie- intensives Gewerbe sitzt.
Eines davon ist das Traunreuter Werk des Elektrogeräteherstellers BSH: „Wir produzieren pro Jahr rund zwei Millionen Herde und Kochfelder“, erklärt Werksleiter Ulrich Ständer. Ein wichtiger Werkstoff dafür ist Email, „das wir bei 800°Celcius auf Metall und Glas aufbringen“, so Ständer. Das geschieht mit einer Gasflamme. Gibt es keine Wärme, steht das Werk still. „Das sind dann 3000 von 3300 Mitarbeitern, die wir in Kurzarbeit null schicken müssen“, so der Werksleiter. „Und wenn wir nicht liefern, können auch andere Werke nicht arbeiten.“ Dabei seien die Kosten nicht der entscheidende Faktor: „Bisher macht das Gas rund zwei Prozent unserer Betriebskosten aus“, erklärt Ulrich Ständer. Damit sei das Traunreuter Werk kein energieintensiver Betrieb. „Aber rein technisch haben wir keinen Ersatz für das Gas“, so Ständer. mas