Prognose: Der Immobilien-Boom flaut ab

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

München – Steigende Zinsen, hohe Inflation, gerissene Lieferketten und eine tiefe Verunsicherung der Verbraucher würden eine „Zeitenwende“ für die deutsche Wirtschaft verursachen, warnt die Bayerische Landesbank in einem großen Wirtschaftsausblick. Die BayernLB ist nicht nur die Zentralbank der Sparkassen, sondern auch Kreditgeber für die Wirtschaft und im großen Stil in der Immobilienfinanzierung tätig. Hier ihre Prognosen im Überblick:

„Die Teuerung dürfte bald ihren Höhepunkt erreichen“, sagte Bayern-LB Chefvolkswirt Jürgen Michels am Dienstag. Die stärksten Preisanstiege habe es bereits gegeben, zum Beispiel bei Energie oder Lebensmitteln. Entwarnung gibt die BayernLB dennoch nicht: Die Inflation werde sich auf hohem Niveau verfestigen. Für 2022 rechnet die Bank mit einer Rate von 6,4 Prozent, 2023 erwartet sie 3,5 Prozent Preisanstieg. Das werde die Europäische Zentralbank (EZB) zu Zinserhöhungen zwingen, so Michels, der den Leitzins in einem Jahr in der Eurozone bei 0,5 sieht, ein Prozentpunkt höher als im Moment. Für die USA kalkuliert er sogar mit 2,5 bis 2,75 Prozent Zins.

Die BayernLB befürchtet, dass die deutsche Wirtschaft schwächelt. Sie geht für 2022 von nur 1,3 Prozent und für 2023 von 1,5 Prozent Wachstum aus. Damit ist sie pessimistischer als der Sachverständigenrat, der die Konjunkturprognosen für die Bundesregierung erstellt. Der rechnet für 2022 noch mit einem Plus von 1,8 Prozent und erwartet 2023 sogar einen Zuwachs von 3,6 Prozent. Die deutlich schlechtere Prognose erklärt die BayernLB mit anhaltenden Lieferproblemen, hohen Produktionskosten, schlechteren Kreditbedingungen durch steigende Zinsen sowie einer Kaufzurückhaltung der Verbraucher wegen der Inflation und dem Krieg in der Ukraine. Das alles bremse die Wirtschaft ziemlich aus und werde künftig auch wieder zu mehr Unternehmenspleiten führen.

„Deutschland und der Euroraum stecken schon mitten in der Stagflation“ so Michels. So nennt man einen gefährlichen Mix aus hoher Inflation und niedrigem Wachstum. „Seit dem dritten Quartal 2021 wabert die Wirtschaft um die Nulllinie und das wird auch so bleiben.“

Die steigenden Zinsen verteuern auch Immobilienkredite. Zudem müssen Banken neue Hauskredite mittlerweile mit mehr Kapital hinterlegen. Damit wird es für Häuslebauer schwerer und teurer, sich Geld zu leihen, so die BayernLB. „Viele werden sich überlegen: kann ich mir eine neue Immobilie überhaupt noch leisten?“ Sinkt die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen, belastet das auch die Preise. „Die Zeiten mit zweistelligen Preisanstiegen pro Jahr dürften vorbei sein“, glaubt Michels.

Einen Immobilien-Crash erwartet die Bank aber nicht. Der Arbeitsmarkt sei robust, die Gefahr für Kreditausfälle und Zwangsversteigerungen gering. Gebaut werde wegen hoher Baupreise vermutlich auch weniger als geplant. Vor allem in Ballungsräumen wie München gebe es nach wie vor eine Knappheit an Wohnraum. Deshalb dürften die Mieten hier weiter steigen.

Für Anleger hat die BayernLB eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Sie erwartet, dass der deutsche Aktienindex Dax in den nächsten zwölf Monaten um rund acht Prozent auf 15 500 Punkte steigt. „Dinge wie der Krieg in der Ukraine oder die Zinserhöhungen sind schon eingepreist, deshalb können wir uns mittelfristig eine Erholung vorstellen“, so Michels.

Die schlechte Nachricht: Mit 15 500 Punkten wäre der Dax immer noch weit von seinem Rekord von fast 16 300 Punkten entfernt. Außerdem dürfte es an den Börsen ruppiger werden. „Die Notenbanken haben die Märkte nun über Jahre mit ihrer Geldflut gestützt“, erklärt Michels. „Nun entziehen sie den Märkten Liquidität, die Unterstützung fällt also weg.“

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