Unterföhring – Als das italienische Medienhaus Mediaset vor knapp drei Jahren überraschend ein Zehntel an der deutschen TV-Gruppe ProSiebenSat1 erworben hatte, warf das einige Fragen auf. Mitaktionäre fragten sich, was der hinter den Italienern stehende starke Mann an der Isar plant. Das ist mit dem italienischen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi eine Person, die man getrost als Reizfigur bezeichnen darf. Heute ist Mediaset in „Media for Europe“ umbenannt, hat in Unterföhring auf ein Viertel der Anteile aufgestockt und ist damit nur noch fünf Prozent von der Schwelle zum Pflichtangebot für alle ProSiebenSat1-Anteile entfernt. Aber Mitaktionäre und Management fragen sich immer noch, was Berlusconi strategisch genau will.
Klar ist, dass die Italiener den in Deutschland führenden TV-Konzern mit 8000 Beschäftigten und 25,6 Prozent Zuschauermarktanteil in Deutschland am liebsten unter das MFE-Dach bringen wollen. Dem aber steht ProSiebenSat1-Chef Rainer Beaujean skeptisch gegenüber. Ein Zusammenschluss sei „ein scheinbar einfacher Weg nach vorne, aber nicht der richtige“, findet der 53-Jährige.
In Italien glaubt man indessen, alles gut erklärt zu haben. „Wir sind davon überzeugt, dass Wertsteigerung im Mediensektor nur mit länderübergreifendem Wachstum geschehen kann“, sagt ein MFE-Sprecher und verweist auf Äußerungen von MFE-Finanzchef Marco Giordani. „Die Medien in Europa stehen unter Druck“, ist dessen Credo. Ausgelöst werde der von US-Streamingplattformen wie Netflix oder Amazon, die traditionellem Fernsehen das Wasser abgraben.
Medienkonzerne in Europa könnten nur bestehen, wenn sie Kräfte für Investitionen in Technologie und Inhalte bündeln. Gegen die US-Macht helfe auf Dauer nur ein eigenes kontinentales Produkt. Beaujean kontert. „Ich sehe ProSiebenSat1 als absolut unabhängiges Unternehmen, das aus sich selbst heraus wächst.“ Länderübergreifende Plattformen im Mediengeschäft funktionierten nicht. Das habe ProSiebenSat1 vor gut einem Jahrzehnt selbst versucht und sei damit gescheitert. Heute seien aber andere Zeiten, heißt es dazu aus Italien. Aber wenn Beaujean nicht wolle, habe MFE keine Absicht, sich in das operative Geschäft einzumischen, versichern die Italiener. Man könne das Ganze auch als Finanzinvestment betrachten, das dann aber rentabel sein muss.
„Das ProSiebenSat1-Management hat sich ambitionierte Ziele gesetzt, welche – falls sie erreicht werden – sicherlich zu einer Wertsteigerung unseres Investments führen werden“, sagt ein MFE-Sprecher. Daraus kann man durchaus eine Drohung heraushören. Denn während sich die Münchner über weite Strecken der Pandemie gut geschlagen haben, ist der Aktienkurs seit einiger Zeit auf Talfahrt. Nahezu halbiert hat er sich binnen Jahresfrist, was der italienische Großaktionär nicht als Indiz für eine zündende Strategie von ProSiebenSat1 ansieht.
Die kreist zum einen darum, TV-Marktanteile so gut wie möglich mit mehr Eigenproduktionen gegen Netflix & Co. zu verteidigen. Zudem hat ProSiebenSat.1 die Streamingplattform Joyn initiiert. Als weitere Säule des Geschäfts nutzt man Werbezeiten der Sendergruppe, um übernommene Digitalfirmen bekannt und verkaufsfähig zu machen. Zuletzt war für die Dating-Gruppe Parship ein Börsengang geplant, was aber kriegsbedingt wegen schlechter Kapitalmärkte erst einmal auf Eis gelegt werden musste.
An dieses Vorgehen glaubt wiederum MFE nicht. Man warte jetzt darauf, dass Beaujeans Strategie Wirkung zeige, lässt Italien ungeduldig wissen und auch, dass man ein langfristiger Investor sei. Darauf hoffen, MFE wieder loszuwerden, braucht Beau- jean nicht, bedeutet Letzteres. „Wir hoffen auf größere Dialogbereitschaft unter dem neuen Aufsichtsratschef Andreas Wiele“, erklärt ein MFE-Sprecher noch. Der ehemalige Springer-Manager wurde gerade auch mit Stimmen aus Italien zum neuen ProSiebenSat1-Oberaufseher gewählt. Zusammengefasst heißt das, dass Beaujean gut beraten wäre, entweder den Aktienkurs schnell zum Steigen zu bringen oder in Gespräche über eine europäische Mediengruppe unter dem MFE-Dach einzutreten. Was andernfalls passiert, lassen die Italiener offen. Zu Spekulationen, MFE könne notfalls eine feindliche Übernahme angehen, wollen die Italiener nichts sagen. Aber das ist irgendwie auch eine Antwort.