München – Das Ziel einer „Schwammstadt“ ist es, mithilfe von Auffangbecken, Speichern und Grünflächen das Regenwasser in Zeiten andauernder Niederschläge zu sammeln oder koordiniert versickern zu lassen, um in folgenden Hitzeperioden wieder darauf zugreifen zu können. Die neuesten Erkenntnisse der Internationalen Fachmesse für Abwassertechnik (IFAT) in München zeigen nun: An der notwendigen Technik scheitert es nicht. Doch obwohl der Ansatz bereits vor einigen Jahren entwickelt wurde, gibt es deutschlandweit bis heute nur eine Handvoll Pilotprojekte.
„Das grundsätzliche Problem ist die eingefahrene Denkweise“, meint Ulf Jacob, Sprecher der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Er beschäftigt sich seit rund 20 Jahren mit dem Thema „Schwammstadt“ und stellte mit zahlreichen Partnern auf der Messe den aktuellen Stand der Forschung vor. Jacob ist davon überzeugt, dass viele Städte das Regenwasser nach wie vor als notwendiges Übel ansehen und daher lediglich versuchen, es möglichst schnell ablaufen zu lassen.
Genau das sei aber der größte Fehler, wie Geoökologe Friedrich Hetzel von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) betont. „Es geht darum, Flächen zu schaffen, die nicht komplett versiegelt werden, sondern das so wichtige Regenwasser aufnehmen können.“
Laut Hetzel bedeutet das, großflächige Auffangbecken zu schaffen, die die durchschnittliche Temperatur in einer Großstadt um rund drei Grad senken können. Kombiniert mit unterirdischen Speichern wäre es zudem möglich, über ein Pumpsystem das Wasser wieder aus dem Boden zu holen. Dies sei enorm wichtig, da sich eine Stadt wie München aufgrund der hohen Dichte an Glas, Stahl und Betonfassaden im Sommer enorm aufheizt.
Technisch umsetzen lässt sich das Prinzip mit sogenannten Retentionsflächen. „Anstatt den Boden zu versiegeln, können wir problemlos Flächen bauen, die das Wasser versickern oder verdunsten lassen“, meint Ingenieur Harald Sommer von der Ingenieurgesellschaft Sieker. Dafür bedarf es circa acht Zentimeter hoher Bodenplatten, die als eine Art Zwischenspeicher rund 80 Liter Regenwasser aufnehmen.
Mit diesem Untergrund lassen sich sogar Häuserdächer oder Fassaden bepflanzen. Die Firma Optigrün bietet solche Retentionsdächer bereits seit 2008 an. „Wir können das gespeicherte Wasser nutzen, um damit unsere darauf gepflanzten Bäume oder Sträucher zu versorgen“, sagt der technische Berater Damian Wieckowski. Mittlerweile ließe sich so ein „Schwammdach“ mit einem am Boden platzierten Speicher verknüpfen. Sollte es also heftige Niederschläge geben, könnte das Wasser direkt vom Boden in den großen Wassertank gelangen.
Der für das Stadtklima so wichtige Verdunstungsgrad läge auf der begrünten Fläche damit bei rund 80 Prozent. Zum Vergleich: Auf einer versiegelten Fläche fließen laut einer Studie der DWA rund 90 Prozent des Wassers ab, ohne den kühlenden Effekt der Verdunstung zu nutzen.
Dass es in München dennoch auf kaum einem Dach Pflanzen gibt, liegt laut Wieckowski vor allem an der Statik. „Um so ein Retentionsdach zu tragen, muss ein Gebäude bis zu 200 Kilogramm pro Quadratmeter aushalten können.“ Gerade bei älteren Häusern in der Innenstadt sei dies nicht möglich.
Ein solches Dach koste außerdem pro Quadratmeter um die 45 Euro und somit mehr als doppelt so viel wie eine normale Abdeckung. Für viele Firmen sei das nicht attraktiv.
Trotz vorhandener Technik ist der Weg zur Münchner „Schwammstadt“ demnach noch weit. Aktuell betragen die Speicherkapazitäten der Münchner Stadtentwässerung 703 000 Kubikmeter. Laut Mathias Wünsch, Pressesprecher der Münchner Stadtentwässerung, sind diese unterirdischen Rückhaltebecken allerdings nur dazu gedacht, um kurzfristig große Mengen anfallendes Wasser zu speichern und es dann verlangsamt in den nachfolgenden Entwässerungskanal zu leiten. „Speicher, um Niederschläge vor Ort zu halten, betreiben wir nicht.“
Laut dem Bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber sollen jedoch künftig alle Akteure in die Planung von Bayerns Städten miteinbezogen werden. „Klimaangepasstes Bauen muss zum Standard werden“, betont er.
Das Münchner Referat für Stadtplanung und Bauordnung hatte bereits im September 2021 beschlossen, das Prinzip künftig in Planungswettbewerben miteinzubeziehen. Eine Sanierung in einem Wohnviertel in Moosach soll dafür als Beispielprojekt dienen.
Für DBU-Sprecher Jacob sind das zwar langsame, aber dennoch wichtige Schritte in die richtige Richtung. Gerade in Großstädten wie München sei der Raum extrem begrenzt. „Nur wenn die Städte das Problem erkennen und die mittlerweile vorhandene Technik unterstützen, können wir mit multifunktionalen Flächen, unterirdischen Speichern und begrünten Dächern künftig eine Lösung finden.“