Autobranche bangt um Arbeitsplätze

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

München/Straßburg – Das Aus für den Verbrenner in Europa ist so nah wie noch nie. Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch für ein faktisches Verbrenner-Verbot. Ab 2035 sollen neu zugelassene Autos in Europa gar keine Treibhausgase mehr ausstoßen. Das schaffen laut EU-Regeln nur E- und Wasserstoffautos.

Offiziell reagierte die Autoindustrie auf die Pläne gelassen. Nur BMW gab sich reserviert. Wegen der globalen Unsicherheit sei jede langfristige Regulierung verfrüht, sagte BMW-Chef Oliver Zipse. Der Konzern setzt stark auf Technologieoffenheit, also den gleichzeitgen Bau von Verbrennern, Hybriden und E-Autos. Mercedes begrüßte die Entscheidung jedoch. Andere Hersteller haben sich ohnehin schon vor dem EU-Entscheid auf ein früheres Verbrenner-Aus festgelegt. Ford und Volvo wollen ab 2030 nur noch E-Autos verkaufen, Opel und VW in Europa ab 2028 beziehungsweise ab 2033 bis 2035.

Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe halten ein Verbot ab 2035 deshalb für zu lasch. Die konservative EVP-Fraktion im EU-Parlament hat dagegen bis zum letzten Moment versucht, die Pläne abzumildern. Sie hatte eine CO2-Reduktion von 90 Prozent und die Anrechnung von synthetischen Kraftstoffen ins Spiel gebracht und wurde von der Autoindustrie dabei unterstützt.

„Wir haben große Sorgen, dass mit einem Verbrenner-Verbot Teile der Wertschöpfung im Autobau schleichend aus Europa abwandern“, erklärt die EU-Parlamentarierin Angelika Niebler von der CSU, die der EVP-Fraktion angehört. In Asien, Südamerika, Afrika oder im ländlichen Amerika sei die Ladeinfrastruktur zu schlecht, die Wege sind dort zu lang. Deshalb werde es dort wohl noch viele Jahre oder Jahrzehnte Verbrenner geben – eine Technik, bei der deutsche Hersteller führend sind. Diese würde nun aber entweder die Forschung in diesem Bereich aufgeben oder die nächste Autofabrik in Brasilien oder den USA bauen, befürchtet Niebler. „Für das Autoland Bayern ist das dramatisch.“

Ganz unberechtigt ist die Sorge nicht. Die EU macht bei den Autobauern nur einen Teil des Umsatzes aus, bei BMW, Mercedes und VW ist es je rund ein Drittel. Das haben die Hersteller im Blick. „Stellen wir ab 2035 den Verbrenner-Bau weltweit ein? Oder gehen wir mit den Fabriken in die Märkte, die wir mit Verbrenner beliefern? Wir wissen es noch nicht“, heißt es bei einem großen deutschen Autobauer.

Der Umstieg auf die E-Mobilität in Europa könnte also durchaus deutsche Jobs kosten. Wie viele es genau sind, ist umstritten. Das Münchner ifo-Instituts kalkuliert mit bis zu 290 000 bis 2030, das Fraunhofer IAO geht dagegen von 120 000 aus. Fakt ist: Rund 1,2 Millionen Beschäftigte arbeiten in Deutschland bei Autobauern oder ihren Zulieferern. Etwa 260 000 oder gut 22 Prozent davon stellen sind laut einer im Herbst 2021 für das Wirtschaftsministerium erstellten Studie des IW Köln in Produktionen oder Werken, die bisher Verbrennungsmotoren oder Teile für Verbrenner bauen. „In diesem Bereich wird es einen Stellenabbau geben, der bereits stattfindet“, so die Forscher.

Stark vom Wandel betroffen sind laut Studie neben Salzgitter oder Kassel auch Städte in Bayern und Baden-Württemberg wie Stuttgart, Schweinfurt oder Bamberg. Hier sitzen Zulieferer wie ZF, Mahle, Bosch, Eberspächer oder Schäffler. Viele sind dabei, sich auf die neue Autowelt umzustellen. Schaffen sie es nicht schnell genug, könnte es sie aber härter treffen als die Autobauer.

Die Gewerkschaften sind jedenfalls alarmiert. Laut Angelika Niebler von der CSU sollen sie vor der Abstimmung im EU-Parlament sogar Werbung für die Pläne der konservativen EVP gemacht haben – eine ungewöhnliche Allianz. Nach der Abstimmung forderte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann eine Perspektive für alle Beschäftigten im Autobau und wies auf die zahlreichen Baustellen beim Weg zu E-Mobilität hin: Die drohende Abhängigkeit von Rohstoffen aus China, den nötigen Ausbau der Erneuerbaren Energie für genug grünen Strom sowie den Ausbau der Infrastruktur, um die seit Kurzem immer zahlreicheren E-Autos zu laden.

Wie diese Probleme zu lösen sind und wer sie lösen muss, darüber wird in Europa noch länger diskutiert. Auch das Verbrenner-Aus ist noch nicht ganz besiegelt. Nach dem Ja des EU-Parlaments sind nun die Mitgliedstaaten im EU-Rat gefragt, damit sich Parlament, Kommission und Rat endgültig einigen können. Das wird voraussichtlich im Herbst passieren. Bis dahin wird hinter den Kulissen weiter gestritten.

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