Nürnberg – Der Nutzfahrzeughersteller MAN baut in Nürnberg für knapp 100 Millionen Euro eine neue Batteriefabrik für E-Laster. Weil der Freistaat das Projekt födert, war auch Ministerpräsident Markus Söder bei der Vorstellung der Pläne vor Ort. Die Batterien werden in den nächsten zweieinhalb Jahren manuell gefertigt und sollen ab 2025 in Großserie hergestellt werden. Wir haben mit MAN-Chef Alexander Vlaskamp über die Fabrik und das Thema E-Mobilität gesprochen.
Herr Vlaskamp, wieso haben Sie sich für Nürnberg als Standort entschieden und nicht zum Beispiel für die Werke in Polen, Südafrika oder der Türkei?
In Nürnberg optimieren wir seit Jahrzehnten unsere Motoren und treiben Innovationsthemen wie die Elektrifizierung voran. Wir haben hier eine kompetente und motivierte Mannschaft. Um hier langfristig im Bereich der Elektromobilität zu forschen, hat die Landesregierung auch 30 Millionen Euro an Förderung in Aussicht gestellt. Außerdem haben wir gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern ein Konzept entwickelt, wie wir Lohnkostennachteile ausgleichen können.
Wie sieht das genau aus?
Hier bitten wir um Verständnis, dass wir keine Details dazu nennen wollen.
Das Werk in Nürnberg hat 3500 Mitarbeiter, die Batterieproduktion soll nur 350 Arbeitsplätze sichern. Was ist mit dem Rest?
Der Hochlauf der Produktion soll bis 2030 erfolgen, ab dann ist eine Kapazität von rund 100 000 Batterien pro Jahr geplant. Insgesamt werden wir dafür dann voraussichtlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen als 350. Die Batterieproduktion in Nürnberg hat natürlich auch positive Auswirkungen auf andere Bereiche am Standort – zum Beispiel in der Forschung und Entwicklung oder in der Verwaltung. Mittelfristig werden wir uns Gedanken darüber machen, in welcher Wertschöpfungstiefe wir uns mit den Batterien beschäftigen. Darin liegt der wesentliche Hebel zu mehr Beschäftigungssicherung in der Zukunft.
Es werden also keine Jobs abgebaut?
Wir rechnen damit, dass wir mit dem Hochlauf der E-Mobilität den zu erwartenden mittelfristigen Rückgang bei den Verbrennungsmotoren teilweise kompensieren und damit die normale Mitarbeiter-Fluktuation entlang der demografischen Kurve zur personellen Neuausrichtung des Standorts genügt.
Das klingt schwammig.
Ich sage „mittelfristig“, weil wir in Nürnberg noch lange parallel Dieselmotoren bauen werden. Wir investieren am Standort gerade 170 Millionen Euro für unsere künftige gemeinsame Motorenplattform der Traton Group, zu der wir zusammen mit Scania gehören.
Welche Rolle werden die Werke in München und Nürnberg künftig spielen?
Wir schaffen durch die Entscheidung einen E-Mobility-Cluster für Nutzfahrzeuge in Süddeutschland. Die Batteriezellen dafür stammen von einem Zulieferer aus Erfurt. In Nürnberg werden sie in sogenannte Packs zusammengeführt. Die fertigen Packs werden am Band in unserem Leitwerk in München in die Lkw montiert. Wir haben also kurze Transportwege und halten den CO2-Fußabdruck klein.
Welche Reichweiten ermöglichen die Pakete?
Unsere E-Lkw werden für die meisten Anwendungen mit sechs solcher Batterie-Pakete ausgestattet sein. Mit ihnen sind zunächst 600 bis 800 und ab 2026 mit verbesserter Batterietechnologie bis zu 1000 Kilometer möglich. Damit wird der E-Lkw endgültig fernverkehrstauglich.
Sie setzen ausschließlich auf Batterie-Fahrzeuge, Daimler Trucks auch auf Wasserstoff. Weshalb?
Bisher wird Wasserstoff aus Erdgas hergestellt und ist damit nicht grün. Außerdem kostet ein Kilo zwölf Euro. Erst bei drei bis vier Euro werden Wasserstoff-Lkw im Vergleich zu Diesel- oder E-Lkw preislich konkurrenzfähig. Auch bei der Energieeffizienz hat Wasserstoff Nachteile.
Ein E-Lkw ist noch doppelt so teuer wie ein Diesel. Ab wann rechnet sich das?
Das rechnet sich, wenn die Transportbranche in den Emissionshandel aufgenommen wird, was mit dem EU-Klimapaket passieren wird. Es wird Diesel-Lkw im Einsatz teurer machen, weil man gegenüber einem Elektro-Lkw einen CO2-Aufschlag zahlt. Man muss wissen: Ein Lkw läuft oft 1,5 Millionen Kilometer. Über die geringeren Betriebskosten haben E-Lkw dann trotz höherem Kaufpreis einen Kostenvorteil.
Die Ladeinfrastruktur ist bisher ein Hemmschuh für die E-Mobilität – besonders in der Transportbranche. Sie wollen bis 2027 rund 1700 Ladesäulen bauen. Läuft das Projekt?
Für das Projekt arbeiten wir mit Scania unter dem Dach der Traton Group sowie mit Volvo und Daimler zusammen. Gemeinsam wollen wir 500 Millionen Euro investieren. Im Moment warten wir noch auf die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden der EU. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir noch diesen Sommer starten können und in ein bis zwei Jahren die erste Ladesäule steht.
Wie viele E-Fahrzeuge wollen Sie im Jahr 2030 verkaufen?
Bei Stadtbussen schätzen wir, dass wir 2030 in Europa fast nur noch E-Fahrzeuge verkaufen, bei Reisebussen dürfte etwa die Hälfte elektrisch sein. Und bei Lkw erwarten wir in Europa beim Verteilerverkehr etwa 60 Prozent E-Anteil und beim Fernverkehr 30 bis 40 Prozent. Unter dem Strich wären das also etwa 50 Prozent Elektro-Fahrzeuge.
Das passt zu den Zielen von Verkehrsminister Volker Wissing, der bis 2030 etwa ein Drittel des Güterverkehrs elektrifizieren will. Schafft er das?
Wir haben die Fahrzeuge und Services, wir sorgen für die Ladesäulentechnik und wir helfen beim Bau von Ladesäulen. Aber wir brauchen das Netz und den Strom. Für die E-Mobilität muss das Stromnetz entlang der Hauptverkehrsrouten massiv ausgebaut werden, außerdem natürlich die Stromerzeugung und der Anteil der regenerativen Energien.
Was fordern Sie konkret von der Politik?
Der Bund und die EU-Staaten müssen die Anzahl an Megawatt-Ladestationen für Lkw festlegen, die aus ihrer Sicht benötigt werden, und auch ihre Unterstützung dafür benennen. Wenn das klar ist, kann sich auch die Energiewirtschaft darauf einstellen. Wir begrüßen, dass der Verkehrsminister ambitionierte Ziele hat. Er sollte aber auch klare Meilensteine setzen, wie er da hinkommen will. Die nötigen Produkte dafür haben wir entweder bereits oder bringen sie in Kürze auf den Markt. Jetzt brauchen unsere Kunden noch die nötige Infrastruktur, um Planungssicherheit zu haben.
Interview: Andreas Höß