Cannabis – zwischen Vorfreude und Skepsis

von Redaktion

VON KORBINIAN SAUTTER

München – Als „vorsichtig optimistisch“ bezeichnet Lars Müller, Geschäftsführer des Münchner Cannabis-Start-ups Synbiotic, seine Vorfreude auf die Legalisierung des Rauschmittels. Zu unsicher sei aktuell noch die Lage, wenn es darum geht, die Droge zu reinen Genusszwecken freizugeben.

Zwar hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die kontrollierte Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften angekündigt. Doch bis der Wirkstoff des Hanfs tatsächlich zum Verkauf steht, rechnen viele Unternehmer frühestens mit dem Jahr 2024.

„Bis dahin gibt es noch viele Faktoren, die einem gewinnbringenden freien Verkauf von Cannabis im Weg stehen können“, meint Müller, der mit seiner Firma bereits jetzt Cannabis zu medizinischen Zwecken an Apotheken verkauft.

Die wichtigste Frage für den Unternehmer ist, zu welchem Preis der Stoff importiert werden kann. Denn je nachdem wie streng die Vorgaben zum Einkauf von Cannabis werden, könnte sich der Gewinn an offiziellen Verkaufsstellen in Grenzen halten. „Ein Gramm Cannabis kostet am Schwarzmarkt circa acht bis zehn Euro“, meint Müller. Die lizenzierte Ware dürfte dementsprechend nicht über 15 Euro pro Gramm liegen.

Zudem ist bis zum Gesetzesentwurf, der für Ende des Jahres geplant ist, nicht klar, wer überhaupt eine Lizenz zum Verkauf bekommt. Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) müsse dafür zumindest jeder ausreichend Kenntnisse über die Droge und damit verbundene Risiken nachweisen. „Das könnten beispielsweise Apotheken sein, aber wir werden den Kreis möglicherweise auch weiter ziehen.“

Eine weiterer Faktor für lokale Anbieter wie Synbiotic ist der Einfluss von etablierten ausländischen Unternehmen, die auf deutsche Abnehmer spekulieren. „Die großen Firmen aus Kanada, USA, Holland oder Portugal freuen sich schon jetzt auf den neuen Markt“, ist Müller überzeugt.

Die Pflanze selbst in Deutschland anzubauen lohnt sich in seinen Augen nicht. Zu strikt seien dafür die Regularien und zu groß das Angebot aus dem Ausland.

Ungewiss ist außerdem, wie sich ein bisher noch nicht existenter Markt verhalten wird. Ein mögliches Beispiel liefert Kanada. Dort wurde im Oktober 2018 Cannabis legalisiert, und die darauf spekulierenden Unternehmen erlebten einen plötzlichen Aufschwung. Die beiden größten Anbieter Tilray und Aurora Cannabis stiegen laut Branchenkreisen im ersten Geschäftsjahr mit Umsätzen von insgesamt rund 450 Millionen Euro ein.

Doch scheinbar wurde die Nachfrage nach dem neuen Genussmittel überschätzt, und der Umsatz sank bei beiden Firmen im darauffolgenden Jahr um rund ein Drittel.

„Ganz so drastisch wird das in Deutschland nicht“, meint Müller. Schließlich gäbe es bereits mit dem Schwarzmarkt eine, wenn auch illegale, Plattform. Kilometerlange Schlangen vor den neuen Verkaufsstellen schließt der 32-Jährige an den ersten Tagen dennoch nicht aus.

Keine Bedenken hat der Unternehmer des Münchner Start-ups in Bezug auf die Mengenbeschränkung. Selbst wenn Cannabis auf 20 bis 30 Gramm pro Kopf und Monat begrenzt wäre, würde das locker ausreichen, um täglich ein klein wenig davon zu konsumieren. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge stellte genau diese Menge im Gespräch mit der „Augsburger Allgemeinen“ in Aussicht.

Ähnlich zu der Entwicklung in Kanada ist Müller der Meinung, dass sich der Markt auch in Deutschland einpendeln wird. Ob die Legalisierung jedoch, wie von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir erhofft, dem Schwarzmarkt dauerhaft entgegenwirken kann, ist für den Geschäftsführer fraglich. Er geht davon aus, dass sich gerade die junge Zielgruppe der 18- bis 25-Jährigen vermutlich wieder am billigeren Preis orientiert und dafür auf die Beratung und die höhere Qualität an den Verkaufsstellen verzichtet.

Allein auf die Legalisierung zu setzen sei demnach viel zu riskant. Nicht zuletzt deshalb vertraut Müller weiterhin auf den Vertrieb von zugelassenen Salben oder Tropfen, die maximal einen Anteil von 0,2 Prozent des Wirkstoffes enthalten und daher bereits verkauft werden dürfen. Für ein mögliches Franchise-System von Cannabis-Läden sieht sich Synbiotic dennoch gerüstet.

„Sobald wir wissen, ob und wie viele Lizenzen wir bekommen können, wären wir bereit, unsere Läden zu eröffnen.“ Bis dahin müsse man eben abwarten, was die Politik aus der Vorgabe des Koalitionsvertrags macht.

Artikel 2 von 2