Straßburg – In der EU werden Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke aller Voraussicht nach als klimafreundlich eingestuft werden. Im EU-Parlament gelang es Gegnern am Mittwoch nicht, die Pläne mit einer Abstimmung zu stoppen. Statt der erforderlichen 353 Abgeordneten votierten im Plenum 278 gegen den entsprechenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie.
Vor allem Sozialdemokraten, Grüne und Linke wollten mit Unterstützung von Umweltverbänden und Anlegerschützern eine Mehrheit gegen die Verwässerung der Taxonomie mobilisieren. Damit sind sie aber gescheitert. „Das ist der Sargnagel für das Öko-Siegel der Finanzbranche“, sagte Michael Bloss von den Grünen nach der Abstimmung. Obwohl Christdemokraten und Liberale gegen den Antrag zur Ablehnung des Vorhabens gestimmt hatten, gab es auch hier bei Einzelnen Enttäuschung über die Entscheidung. „Der heutige Beschluss führt zu Greenwashing“, kritisierte zum Beispiel die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler. „Es ist das falsche Signal, Energie aus Gas- und Atomkraftwerken als nachhaltig im Sinne der Taxonomie einzustufen.“ Das gelte übrigens ganz unabhängig von der Frage, ob man für oder gegen Gas- und Atomenergie sei, so die oberbayerische EU-Parlamentarierin.
Es gibt aber auch Befürworter des Plans: „Das Ergebnis der heutigen Abstimmung ist ein wichtiges Zeichen für die Rolle von Erdgas als Brücke hin zur Erreichung der Klimaziele“, so Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen. Es sende ein klares Signal an die Energie- und Finanzwirtschaft, jetzt dringend notwendige Investitionen in den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft durch neue, erdgasbetriebene, aber auf Wasserstoff umrüstbare Kraftwerke zu tätigen.
Bei dem Votum ging es um einen ergänzenden Rechtsakt zur Taxonomie. Sie soll umweltbewussten Anlegern deutlich machen, in welche Finanzprodukte sie mit gutem Gewissen investieren können. Zugleich soll sie private Investitionen in nachhaltige Branchen lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen. Sonnen-, Wind und Wasserkraft sind schon als nachhaltig deklariert. Unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Polen hatte die EU-Kommission daraufhin vorgeschlagen, Atom und Gas unter bestimmten Bedingungen den erneuerbaren Energien gleichzustellen.
Mit der Abstimmung im EU-Parlament hat die Kommission die wichtigste Hürde auf diesem Weg genommen. Allerdings kann die Umsetzung des Kommissionsvorschlags noch verhindert werden, wenn sich bis zum 11. Juli mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die insgesamt über 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Dass eine entsprechende Mehrheit im Rat der EU zustande kommt, halten Beobachter jedoch für nahezu ausgeschlossen.
Die Position der Bundesregierung: Sie hält Erdgas für eine wichtige Brückentechnologie, von einer klassifizierung von Atomkraft als nachhaltig distanziert sie sich aber. Andere EU-Staaten lehnen hingegen beides ab. Österreich werde eine bereits vorbereitete Klage beim Europäischen Gerichtshof einbringen, sobald dieses „Greenwashing-Programm“ in Kraft trete, sagte Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Luxemburg habe zugesagt, die Klage zu unterstützen und man werde versuchen, weitere Verbündete zu gewinnen.
Mit Material von dpa und afp