Brüssel – Die europäische Wirtschaft ächzt unter den Folgen des Kriegs in der Ukraine. Die EU-Kommission rechnet in diesem Jahr durchschnittlich mit 7,6 Prozent Inflation im Euro-Raum – ein historischer Höchstwert. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni erklärte gestern in Brüssel: „Der Anstieg der Inflation wurde erneut durch die Energie- und Lebensmittelpreise verursacht.“
Das Wachstum der gesamten EU-Wirtschaft bleibt der Prognose zufolge in diesem Jahr zunächst stabil. Für 2023 korrigierte die Kommission ihre Vorhersagen jedoch deutlich nach unten. Auch für Deutschland revidierten die Ökonomen in Brüssel ihre Erwartungen (siehe Grafik).
Die deutsche Volkswirtschaft werde dieses Jahr voraussichtlich nur um 1,4 Prozent wachsen statt 1,6 Prozent, wie noch im Mai angenommen. Im kommenden Jahr werde sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,3 Prozent erweitern statt 2,4 Prozent. Grund sei, dass sich Haushalte wegen der hohen Preise weniger leisten könnten, hieß es. Außerdem leide die Industrie unter Handelsengpässen. Ein möglicher russischer Gas-Lieferstopp sei zudem ein erhebliches Risiko für die deutsche Wirtschaft, schreiben die Ökonomen.
Mit den Zahlen schneidet Deutschland schlechter als viele andere Länder ab, etwa Frankreich mit einem voraussichtlichen Wachstum von 2,4 Prozent in diesem Jahr oder Griechenland mit 4 Prozent. Gentiloni zeigte sich bei der Präsentation der Ergebnisse in Brüssel grundsätzlich besorgt. „Man kann sagen, dass sich die europäische Wirtschaft von einer Phase des verlangsamten Wachstums hin zu einer Phase des Bremsens bewegt“, sagte der italienische Politiker.
Am stärksten wurden die Vorhersagen bei der Inflation korrigiert. Bei ihrer Frühlingsprognose war die Kommission noch von 6,1 Prozent Inflation für die Euro-Länder in 2022 ausgegangen – nun hob sie die Prognose auf 7,6 Prozent an. Den Höhepunkt werde die Inflation im dritten Quartal erreichen mit einem Rekordwert von 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 2023 rechnet die Brüsseler Behörde damit, dass die Teuerung im Euro-Raum wieder auf 4 Prozent im Jahresdurchschnitt fällt.