Schwarzach am Main – Mehr Fläche, Einstreu und jede Menge Auslauf: Das Leben von Deutschlands Schweinen soll sich nicht nur nach dem Willen von Tierschützern und Verbrauchern deutlich verbessern. Doch was braucht das Mastschwein, um sich gesund zu entwickeln? Am Staatsgut Schwarzenau im unterfränkischen Schwarzach am Main untersuchen Forscher im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums, wie der Stall der Zukunft aussehen könnte.
In drei verschiedenen Stallungen schauen sich die Forscher an, wie sich die Aufzuchtferkel entwickeln. „Unterschiedliche Klimazonen, doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben, mit Stroh eingestreute Liegeflächen“, erklärt Projektleiterin Christina Jais von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Bestimmte Areale seien beheizbar, teils abgedeckt. Draußen gebe es Flächen zum Fressen, Buddeln, Spielen und zum Absetzen von Harn und Kot.
Da es beim Thema Tierwohl auch um viel Geld geht, wird zugleich untersucht: „Wie viel mehr Arbeit verursachen die Stallungen und wie viel Stroh wird eingesetzt? Und funktioniert die innovative Stalltechnik zuverlässig“, sagt Jais und verweist auf die temperaturgesteuerten Jalousien. „Ganz entscheidend sind die Fragen: Wie viel Arbeit muss ich in den Stall investieren? Wie viel kostet der Stallplatz?“ Auch wenn erst in zwei Jahren der vollständige Versuchsbericht vorliegen wird, sind die Forscher jetzt schon optimistisch: Die Ferkel in Schwarzach scheinen sich wohlzufühlen. „Ein Schwein ist extrem neugierig und bewegungsaktiv. Es verbringt normalerweise sechs bis acht Stunden mit Wühlen und der Suche nach Nahrung“, erklärt der Agrar-Ökonom der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Martin Hofstetter. „Das kann es alles im Stall nicht machen.“ Realität für Mastschweine sei oft: viele Artgenossen auf engem Raum, kaum Bewegungsfreiheit, eher dunkel, wenig Frischluft, hohe Konzentration an Ammoniak-Gasen, Beton-Gitter unter den Füßen, damit der Kot durchfällt.
Hinzu kommt das Mästen. „Die fressen in der Zeit vor der Schlachtung etwa zweieinhalb Kilogramm am Tag und nehmen dabei ein Kilogramm zu. Wenn wir das machen würden, würden wir als Menschen nach einem Jahr platzen“, sagt der gelernte Landwirt. Die Organe und Knochen wüchsen so viel langsamer als der Schinken und Lende, Herzprobleme und Entzündungen der Gelenke seien die häufige Folge. Nicht selten landeten die halbjährigen und mehr als 100 Kilo schweren Schweine krank beim Metzger.
Landwirte, die von der Massentierhaltung und Turbo-Schweinen weg möchten, brauchen dafür Geld – und den Verbraucher. Denn der muss bereit sein, mehr für Fleisch zu bezahlen. „Am Ende muss das Ganze irgendwo auch umsetzbar sein, die zusätzlichen Kosten müssen bezahlt werden“, sagt Gerhard Stadler vom Bayerischen Bauernverband. Die enormen Preise für Baumaterial verschärften die Lage. „Und wir brauchen dann eine gewisse Absicherung, wenn jemand eine Investition macht, dass er zumindest die nächsten 20 Jahre mit dem Stallsystem, für das er sich entschieden hat, auch produzieren kann.“
Damit Landwirte nicht auf Investitionen in Stallumbauten und höheren laufenden Kosten alleine sitzen bleiben, wird derzeit in Berlin über einen höheren Mehrwertsteuersatz für Fleisch oder eine „Tierwohlabgabe“ auf tierische Produkte nachgedacht.
Seit Mai 2020 haben nach Zahlen des Statistischen Bundesamts 12,5 Prozent der deutschen Schweinehalter aufgegeben – die Zahl der Betriebe schrumpfte von 20 400 auf 17 900. Im Mai dieses Jahres wurden noch 22,3 Millionen Schweine gehalten, das waren über acht Millionen Tiere weniger als 1990 und damit der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung.
Die Bauern beklagen seit Langem, dass die Fleischpreise die Kosten kaum oder gar nicht mehr decken. Dennoch ist die Lage der Mastschweine derzeit nicht das Topthema beim Verbraucher, weiß Greenpeace-Agrarexperte Hofstetter. „Die Leute kaufen im Moment eher wieder billig.“ Er meint aber: „Ein richtiges Schwein sollte Geburtstag gehabt haben.“