München – Große Verunsicherung herrscht derzeit bei den Getreidebauern. Direkt nach dem russischen Überfall auf die Ukraine schnellte der Weizenpreis in die Höhe: Lag er Mitte Februar noch bei rund 270 Euro pro Tonne, wurde er am 8. März bereits mit 395 Euro notiert. Seinen Höchststand hatte er laut Börse online am 17. Mai mit 438 Euro pro Tonne.
Mit der neuen Ernte und dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine – am Montag konnte das erste Schiff mit Getreide den Hafen von Odessa verlassen – geht es aber wieder abwärts mit den Preisen. „Die Getreidepreise sind runter- gegangen“, bestätigte Helmut Frank aus dem Marktreferat des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums. Inzwischen bewegt sich der Preis durchschnittlich um 300 Euro. Aktuell wurde er gestern mit 339,75 Euro bewertet, abermals 1,38 Prozent weniger als am Vortag.
Die Spitzenwerte wurden im Frühjahr erzielt, als sich die gelagerte Getreideernte vom Vorjahr dem Ende neigte und die begehrten Reste vermarktet wurden, erklärt der Fachmann. Außerdem liegen wegen des Kriegs in der Ukraine dort 20 Millionen Tonne Getreide auf Halde, die für Entwicklungsländer vorgesehen waren – und die auf dem Weltmarkt fehlen. „Inzwischen ist die neue Ernte weitgehend abgeschlossen. Es ist jedes Jahr so, dass dann die Preise runtergehen, weil neue Ware am Markt ist.“ Das Landwirtschaftsministerium gibt keine Prognosen ab, wie sich die Preise weiterentwickeln werden, aber Frank glaubt nicht, dass die Preise auf 200 Euro/t wie 2021 heruntergehen werden.
Zu schaffen macht den Landwirten, dass trotz sinkender Preise die Dünger- und Energiekosten weiterhin so hoch sind – „Dünger hat das Drei- bis Vierfache gekostet. Das tut uns schon gscheid weh“, sagt Ralf Huber, Getreidebauer aus Allershausen (Kreis Freising) und oberbayerischer Bauernpräsident. Die Existenz von Betrieben sei aber „noch nicht gefährdet“. Doch wenn die Kosten im Umfeld – Energie-, Dünger-, Diesel- und Maschinenkosten – weiter so zulegten, „dann wird’s eng“. Den Landwirt ärgert vor allem, dass die anderen Player der Wertschöpfungskette bis zum Verbraucher die höheren Energiekosten auf die Preise umlegen würden. „Von diesen hohen Preisen ist bei der Landwirtschaft fast nichts angekommen.“ Hinzu komme: Wenn ein Landwirt keine Lagerkapazitäten habe, müsse er sein Getreide jetzt zum niedrigeren Preis verkaufen. Was Huber besonders fuchst: „Wenn die Preise fürs Getreide runtergehen, wird das kaum an die Verbraucher weitergegeben. Das landet in den Taschen derer, die zwischen den Bauern und dem Verbraucher handeln.“
Zusätzlich zum Ukraine-Krieg sorgt das extreme Klima in ganz Europa für Verunsicherung auf dem Getreidemarkt, betont Anton Huber, Getreidereferent beim Bayerischen Bauernverband. „Es schlägt die Stunde der Wahrheit, wenn der Mähdrescher übers Feld fährt.“ Vielerorts sei es in Bayern viel zu trocken gewesen, die Korngröße sei entsprechend gering. Der BBV-Experte weiß von Flächen, wo Mais ohne Kolben einfach runtergemäht werde, um wenigstens noch etwas Futter für die Tiere zu bekommen. Wichtig sei nun aber, „dass wir eine Entspannung auf dem Weltmarkt bekommen, weil es ums Überleben der Menschen in Afrika geht“. Huber hofft, dass es mit der Getreidelieferung aus der Ukraine nun auch wirklich klappt. Es sei schwierig, die 20 Millionen Tonnen gelagertes Getreide rasch in die Entwicklungsländer zu transportieren. „Da müssen noch viele Schiffe fahren.“