München – Bayerns Industrie musste im zweiten Quartal doppelt so viel Geld für Energie ausgeben wie im Vorjahreszeitraum. Das zeigt der Energiepreisindex der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), der unserer Zeitung exklusiv vorliegt.
Die Energiekrise habe sich zu einer dauerhaften Belastungsprobe für die Wirtschaft und zu einem „existenziellen Problem für die Unternehmen entwickelt“, warnt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des vbw. Eine Entspannung sei nicht in Sicht. Die Drosselung der russischen Gaslieferungen verschärfe die Versorgungslage und die Preisentwicklung eher noch weiter, so Brossardt.
Der Energiepreisindex des vbw stieg im zweiten Quartal auf einen Rekordwert von 240,2 Punkten. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Plus von 101,2 Prozent. Der Index umfasst zum einen Preise für sogenannte Primärenergieträger wie Erdgas, Erdöl oder Kohle, zum anderen aber auch Kosten für Sekundärenergie wie Strom, Heizöl, Diesel oder Flüssiggas. Kostenexplosionen gab es demnach nicht nur bei Gas, Öl und Treibstoffen, sondern zum Beispiel auch bei Strom oder Steinkohle.
Angesichts der hohen Preise drängt der vbw auf Entlastungen für die Wirtschaft. Dazu gehöre das vorübergehende Aussetzen oder zumindest deutliche Absenken der Energiesteuer für fossile Energieträger. Auch die Stromsteuer müsse auf das europarechtliche Minimum reduziert und der nationale Emissionshandel ausgesetzt werden, um die Wirtschaft nicht zu überfordern. Zudem solle die Politik mit Hochdruck daran arbeiten, die Energieversorgung zu sichern, fordert vbw-Chef Brossardt.
Neben einer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke bis mindestens zum Ende der kommenden Heizperiode sei dafür ein „Turbo bei der Energiewende“ nötig, so Brossardt. „Nur der Ausbau von erneuerbaren Energien und des Stromnetzes stärkt die Unabhängigkeit im Energiesektor und dämpft die Strompreise“.
Die Energiekosten sorgen bereits für ein hohes Defizit in der Handelsbilanz des Freistaates. Wegen gestiegener Verkaufspreise legten zwar auch die Exporte aus Bayern im ersten Halbjahr um 9,3 Prozent auf 101,9 Milliarden Euro zu, hatte das Statistische Landesamt am Freitag gemeldet. Die Importe wuchsen dagegen um ganze 18 Prozent auf 121,5 Milliarden Euro und damit deutlich stärker. Schuld waren vor allem teure Energieimporte. Für sie gab Bayern 10,9 Milliarden Euro aus und damit 106 Prozent mehr als im Vorjahr.
Auch im Bund ist das Bild ähnlich, obwohl hier die Handelsbilanz nach wie vor knapp positiv ist. Im Detail hinterlassen die hohen Energiepreise aber deutliche Spuren. So brachen die deutschen Exporte nach Russland im ersten Halbjahr um etwas mehr als ein Drittel auf 8,3 Milliarden Euro ein.
Die Importe aus Russland wuchsen hingegen um 51,3 Prozent auf 22,6 Milliarden Euro. Russland nahm damit trotz der Sanktionen mehr Geld durch Energielieferungen nach Deutschland ein als im ersten Halbjahr 2021.