Berlin – Der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums hat der Bundesregierung in einem Gutachten einen neuen Anlauf zu einer Aktienrente empfohlen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Projekt.
Was genau ist die Aktienrente?
Für die Aktienrente oder kapitalgedeckte Rente werden Rentenzahlungen nicht nur rein über das Umlagesystem finanziert. Ein Teil soll auch an den Finanzmärkten angelegt werden und dort Rendite erzielen. So soll später einmal mehr Geld für Rentenzahlungen zur Verfügung stehen. Das Projekt steht im Koalitionsvertrag und wird vor allem von Finanzminister Christian Lindner (FDP) forciert, aber auch Grüne und SPD hatten ähnliche Pläne in ihren Wahlprogrammen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat ein neues „Rentenpaket II“ angekündigt, um das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent zu sichern.
Was sagen Experten zu den Plänen?
Schon jetzt reicht das Geld aus dem Rentensystem nicht, der Bund muss dem Umlagesystem pro Jahr rund 100 Milliarden Euro zuschießen. Im Jahr 2050 könnten sogar fast 60 Prozent des Haushalts nötig sein, um das Rentensystem zu stabilieren, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums. Die unabhängigen Ökonomen empfehlen der Regierung deshalb explizit, eine kapitalgedeckte Rente einzuführen. Auch Verbraucherschützer finden die Idee gut. „Der Ansatz ist richtig“, sagte Ramona Pop vom Bundesverband Verbraucherzentrale zur Nachrichtenagentur dpa.
Ist es riskant, die Rente in Aktien zu investieren?
Obwohl es keine Garantie für die Einzahlungen gibt, halten die meisten Experten das Risiko langfristig für kalkulierbar – zumal nicht die komplette Rente, sondern nur ein kleiner Teil an den Börsen investiert werden soll. Der globale Aktienindex MSCI World brachte zum Beispiel von 1991 bis Ende 2021 in Euro acht Prozent Rendite pro Jahr – trotz aller Crashs und Krisen. Selbst eine Investition direkt vor dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 hätte bis Ende 2021 fünf Prozent Ertrag pro Jahr gebracht.
Wie könnte der Fonds konkret aussehen?
Viele Experten wünschen sich einen Staatsfonds, der mit einer schlanken Verwaltung und geringen Gebühren investiert. „Es wäre gut, wenn der Staat einen Fonds dieser Art auf den Weg brächte“, so Verbraucherschützerin Pop. Florian Toncar (FDP) brachte laut „Handelsblatt“ die Bundesbank als Verwalter ins Spiel. Sie sei unabhängig und ihr würden die Bürger vertrauen. Die Finanzbranche lehnt einen Staatsfonds hingegen vehement ab – wohl auch, weil sie selbst mitverdienen will. Es drohe die Gefahr, dass die Anlageentscheidungen eines Staatsfonds auch politische Ziele verfolgen könnten, heißt es in der Branche. Die Gutachter favorisieren einen staatlichen Fonds, wollen aber ein sogenanntes Opt-Out-Verfahren. Hier könnten sich Bürger auch gegen den Staatsfonds und für ein zugelassenes Konkurrenzprodukt entscheiden. Dieses Verfahren stammt aus Schweden, dort wählen die meisten Sparer trotzdem den Staatsfonds.
Wer zahlt die Beiträge für die Aktienrente?
Laut Koalitionsvertrag soll zunächst im Jahr 2022 mit zehn Milliarden Euro ein Kapitalstock aufgebaut werden. Im Haushalt ist das Geld bisher aber nicht vorgesehen. Zudem wäre der Betrag viel zu klein, um die Rente auf eine breitere Basis zu stellen. FDP-Experte Toncar stellte deshalb jährlich weitere Zahlungen von zehn Milliarden Euro aus dem Haushalt zur Diskussion. Womöglich sollen dafür Schulden aufgenommen werden. Das wurde 2019 vom Münchner ifo-Institut vorgeschlagen und auch der Beirat diskutierte diese Frage, erzielte aber keine Einigung. Im Gutachten wird auch auf das schwedische Modell verwiesen. Dort zahlen die Bürger derzeit 16 Prozent ihres Gehaltes in die klassische Rente und 2,5 Prozent in die kapitalgedeckte Rente.
Und was ist mit der Riester-Rente?
Mit der Riester-Rente gibt es bereits ein Rentenprodukt, das für die Altersvorsorge Geld investiert. Doch es ist unbeliebt, kompliziert und krankt an hohen Gebühren und vergleichsweise geringer Rendite. In ihrem Gutachten fordern die Experten deshalb auch eine Reform der Riester-Rente. „Die Riester-Rente ist nicht reformierbar“, findet hingegen Verbraucherschützerin Pop.