München – Die enorm steigenden Energiepreise belasten die Verbraucher. Die Versorger befürchten, dass viele ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen werden – mit dramatischen Folgen, wie Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der bayerischen Energie- und Wasserversorger, im Interview erklärt.
Herr Fischer, die Energiepreise belasten die Verbraucher. Rechnen Sie mit Zahlungsausfällen?
Der Verband der kommunalen Unternehmen hat ermittelt, dass manche Versorger bis zu acht, andere bis zu 15 Prozent Ausfälle erwarten. Wie stark sie ausfallen, hängt sicher vom Versorgungsgebiet ab: In wohlhabenden Gebieten können die Leute ihre Rechnungen meist bezahlen, in schwächeren Gebieten sieht das wahrscheinlich etwas anders aus.
Was bedeutet ein Ausfall?
Zunächst wird der Versorger sich mit seinem Forderungsmanagement bemühen, an sein Geld zu kommen, zum Beispiel bei Haushaltskunden auch Ratenzahlungen anbieten. Das ist aber riskant, weil die Preise ja weiter steigen werden, das heißt, es sammelt sich ein immer größerer Berg an Schulden an. Und irgendwann meldet der Kunde Insolvenz an, bei deren Abwicklung der Versorger in ein paar Jahren dann einen Bruchteil seiner Kosten zurückbekommt. Deshalb ist es gerade eine zwiespältige Situation: Menschlich will man kulant sein, wenn es mal eng wird – und das handhaben viele Versorger so. Betriebswirtschaftlich ist es aber jetzt gefährlich: Je später man versucht, an das Geld zu kommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahlung vollständig ausfällt.
Wie gefährlich sind die Ausfälle für die Unternehmen?
Zuerst mal würde ein betroffener Versorger natürlich – wie jede andere Firma – versuchen, die Ausfälle an anderer Stelle zu kompensieren. Sprich: Die Energiepreise werden noch teurer und die anderen Kunden bezahlen die Ausfälle quasi mit – nicht besonders gerecht in meinen Augen. Wenn die Ausfälle zu groß werden, kann es die Versorger auch in eine wirtschaftliche Schieflage bringen. Durch die hohen Energiepreise geht es ja um ganz andere Summen als früher. Und sollte der Versorger zusammenbrechen, müssen sich alle Kunden neue Anbieter suchen – die dann höchstwahrscheinlich teurer sind.
Eine Zeit war es möglich, Preiserhöhungen durch einen Wechsel zum örtlichen Grundversorger zu vermeiden. Viele haben darauf teurere Neukundentarife eingeführt. Woher kommt die Unwucht?
Ursache war unter anderem, dass Anfang des Jahres einige Billig-Versorger wegen der steigenden Preise insolvent gingen und ihre Kunden bei den Grundversorgern angespült wurden, die gesetzlich verpflichtet sind, sie zu beliefern. Die neuen Kontingente dafür mussten sie aber teuer nachkaufen – bei den alten Tarifen ein Verlustgeschäft. Deshalb haben einige Versorger Neukundentarife eingeführt, die die neuen Kosten decken. Ob zwei unterschiedliche Tarife legal sind, wurde vor verschiedenen Gerichten verhandelt. Jetzt hat die Bundesregierung eingegriffen und das Energiewirtschaftsgesetz geändert: Es darf nur noch einen Grundversorgungstarif geben – aber die Ersatzversorgung, wo Neukunden drei Monate verharren, wenn sie keinen neuen Vertrag abschließen, darf teurer sein. Danach rutschen sie automatisch in die Grundversorgung – wo die Tarife jetzt für Alt– und Neukunden angepasst werden, damit sie kostendeckend sind.
Die Wirtschaft fordert, die Gasumlage durch KfW-Kredite zu ersetzen. Ihre Meinung?
Die Gas-Beschaffungsumlage wird in meinen Augen zu sehr verteufelt: Immerhin sprechen wir nur von etwa fünf Prozent der Summe, die an profitable Unternehmen fließen können. Die restlichen, vor allem Uniper und SEFE, können ja auch nichts dafür, dass Russland kein Gas mehr liefert. Der Vorschlag zur Umwandlung der Umlage zu einer Kreditfinanzierung stellt für die betroffenen Energieversorgungsunternehmen eine erhebliche finanzielle Schlechterstellung gegenüber der geplanten Umlage dar. Die Unternehmen werden langfristig mit Verbindlichkeiten belastet. Hier besteht die Gefahr dass der Investitionsspielraum für die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der Energiewende verloren geht.
Die Gaspreise belasten auch den Strommarkt. Viele wollen das System jetzt reformieren und Gas aus dem Preisbildungsmechanismus nehmen.
Und viele dieser Vorschläge sind nicht zu Ende gedacht. Grundsätzlich muss man sagen, dass das Merit-Order-System, das die Zuschaltung der Kraftwerke nach ihren Stromgestehungskosten regelt, seit den 90er-Jahren immer den günstigsten Preis erzeugt hat. Unser Problem ist, dass die teuren Gaskraftwerke laufen müssen, weil wir sonst nicht genug Strom erzeugen und auch die volatile Stromerzeugung aus Photovotlaik und Wind nicht ausregeln können. Das liegt daran, dass wir zu schnell aus der Kohle- und Kernkraft ausgestiegen sind und gleichzeitig beim Ausbau der Erneuerbaren und beim Ausbau der Stromnetze zu langsam waren. Das alles ist aber nicht die Schuld der Merit-Order. Außerdem ist unser liberalisierter Energiemarkt mit all seinen Verflechtungen über 30 Jahre gewachsen – wenn man da eingreift, erzeugt man große Unsicherheiten bei den Investoren.
Gefährden Markteingriffe also die Energiewende?
Natürlich. Gerade weil die Preise so hoch sind, ist es doch noch viel attraktiver, jetzt schnell grüne Kraftwerke zu bauen. Und je schneller das geht, desto schneller werden die teuren Kraftwerke aus dem Markt gedrängt – und dann werden die Preise wieder deutlich sinken.
Interview: Matthias Schneider