Biomethan war lange Zeit eher ein Nischenphänomen. In Zeiten sündhaft teurer Erdgas-Importe bekommen die Erzeuger jedoch neues Selbstbewusstsein. Als einer der wichtigsten Großhändler in Europa kennt Zoltan Elek die Branche in- und auswendig. Der Geschäftsführer der Münchner Firma Landwärme ist sich sicher: Wenn wir unseren Gasbedarf dritteln, können wir ihn komplett mit Biomethan decken.
Herr Elek, Europa braucht dringend Gas. Welches Potenzial haben Biogas und Biomethan kurzfristig?
Ohne Neubau können wir die Produktion von derzeit rund 100 Terawattstunden zwischen zehn und 20 Terawattstunden steigern, das entspricht dem Jahresheizbedarf von 50 000 bis 100 000 Haushalten.
Die Preise sind hoch, weshalb werden diese Mengen noch nicht produziert?
Es gibt viele regulatorische Hemmnisse: Alle Anlagen sind für eine bestimmte Erzeugung zugelassen, die nicht überschritten werden darf. Die Bundesregierung will diese Regeln jetzt kurzfristig und kurzzeitig aufheben, um die Produktion zu erhöhen. Das ist begrüßenswert – sollte aber natürlich auch langfristig so bleiben.
Was können wir mittelfristig schaffen?
Als um 2006 herum der Biogas-Boom durch politischen Willen begann, haben wir in Deutschland einen großen Teil unserer derzeitigen Infrastruktur in drei Jahren aufgestellt – das können wir wieder schaffen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dann müssen wir nur noch klären, wie viel Biomasse wir zusätzlich bekommen können. Es gibt verschiedene Studien, die bis 2030 eine Steigerung auf 200 bis 300 Terawattstunden für möglich halten. Das wäre schon mal mindestens ein Fünftel unseres aktuellen Erdgasbedarfs von rund 1000 Terawattstunden.
Wie kommen wir da hin?
Wir brauchen eine viel striktere Mülltrennung, damit nicht feuchter Biomüll nutzlos in den Verbrennungsanlagen landet, sondern eingesammelt und fermentiert wird. Auch für landwirtschaftliche Abfälle wie Gülle sollte es – überspitzt gesagt – etwas wie eine Fermentierungspflicht geben, damit die Biomasse energetisch genutzt wird, bevor man sie als Dünger wieder aufs Feld ausbringt.
Sie kennen die Diskussion: Tank oder Teller?
Ich finde, man muss das nüchtern entscheiden: Wir haben in Deutschland eine gewisse Anzahl landwirtschaftlicher Flächen: Wie viel nutzen wir für Bioenergie, wie viel für Futtermittel? Wenn wir das eine produzieren, müssen wir das andere importieren. Dann müssen wir sehen, welche Bioenergie wir in Deutschland produzieren wollen und welche wir importieren. Da geht es nicht nur um Biogas, sondern auch um Ethanol und Biokraftstoffe. Aber das müssten wir als Gesellschaft in einem Diskurs klären, der bisher nicht stattfindet.
Wie hoch ist der Anteil von Energiepflanzen – und wie viel Fläche bräuchten wir?
Normalerweise kommt die Hälfte des Gases aus Energiepflanzen, wegen der aktuell hohen Preise etwas weniger. Wollen wir kurzfristig eine Verdreifachung der Erzeugung bräuchten wir zwischen zwei und drei Millionen Hek-tar zusätzlicher Flächen. Das muss aber kein Mais sein, der ist nur am ökonomischsten. Für einen gewissen Aufpreis könnte es auch eine ökologisch wertvolle Blühwiese sein. Dafür wäre dann wieder der politische Wille nötig.
Die EU hält eine Verzehnfachung der Produktion für nötig, um vom russischen Gas loszukommen. Ist das realistisch?
Europaweit betrachtet schon, weil die Potenziale noch nicht so stark gehoben sind wie in Deutschland – da sind wir Weltmeister. Besonders in Osteuropa gibt es noch viel zu holen. Das gilt besonders für Länder mit einer starken Landwirtschaft, wie Polen oder die Ukraine. Wichtig ist, dass man es von Anfang an vernünftig reguliert, um ökologische Schäden zu vermeiden.
Gerade werden Mondpreise bezahlt – aber braucht es nach der Krise wieder Förderung?
Ein Großteil des Biogases wird vor Ort verstromt und die Abwärme getrennt genutzt. Die Existenzberechtigung des Biogases ist es also, die Dunkelflaute zu überbrücken. In diesen Phasen werden, mit dem zunehmenden Wegfall der fossilen Kraftwerke, auskömmliche Preise für Biogas wahrscheinlich. Besonders wenn wir irgendwann einen CO2-Preis von über 100 Euro pro Tonne erreichen, wird Biogas rentabler bleiben als Erdgas-Importe. Außerdem kann Biomethan sogar CO2-negativ sein.
Wie das?
Biogas ist ein Gemisch aus Methan und CO2. Das Methan ist chemisch identisch mit Erdgas und muss vom CO2 gereinigt werden, Das abgeschiedene Gas kann man in endgültige Speicher unter die Erde bringen. Solche Maßnahmen brauchen wir auch, um bei unseren Klimazielen die Kurve zu kriegen.
Blick in die Zukunft: Wie nutzen wir Biomethan am besten aus?
Wir müssen unsere Häuser dämmen und die Heizungen elektrifizieren, denn oft ist es nicht so kalt, dass wir Gas bräuchten. So können wir den Verbrauch deutlich senken. Eine Wärmepumpe kann aber effizient nur mit einer moderaten Außentemperatur arbeiten. Gas kann immer Spitzenlast bringen. Deshalb wäre es sinnvoll, Gas nur in den Stunden einzusetzen, in denen es richtig kalt wird – bevorzugt in der Kraft-Wärme-Kopplung mit Stromerzeugung. Gerade in den Städten machen da natürlich Fernwärmemodelle Sinn. Denn dann können die Versorger auch flexibel zwischen verschiedenen Energieträgern, etwa Solarthermie, Geothermie und Biomethan wechseln. Das ist effizient und drückt die Preise. Ich sehe da auch eine Koexistenz mit Wasserstoff, der ja vor allem Strom liefert und in der Industrie gebraucht wird. Ich denke, perspektivisch können wir es schaffen, unseren Methanverbrauch auf ein Drittel zu drücken. Wenn wir 2030 rund 300 Terawattstunden Biomethan liefern können, sind wir mit unserer Energieversorgung ganz gut aufgestellt.
Interview: Matthias Schneider