München – Betriebsrenten sind ein wichtiger Pfeiler der Altersvorsorge. Der gerät nun durch sprunghaft steigende Inflation an mehreren Stellen unter Druck, warnt das Institut der versicherungsmathematischen Sachverständigen (IVS). Die Expertengruppe rechnet regelmäßig aus, wie sich veränderte Rahmenbedingungen in diesem Fall auf Betriebsrenten auswirken.
Ihre Botschaften sind schlecht – vor allem für Unternehmen und Anwärter, die derzeit noch arbeiten und unter 40 bis 50 Jahre alt sind. Wer dagegen schon Betriebsrente bezieht oder kurz davor steht, ist vor Inflation relativ gut geschützt. Susanne Adelhardt aus dem IVS-Vorstand erklärt die Mechanismen. „Für schätzungsweise 70 Prozent der Pensionsverpflichtungen für laufende Betriebsrenten gibt es guten Inflationsschutz“, erklärt sie. Beim Rest könnten Unternehmen sich alternativ durch jährliche Erhöhung der Betriebsrenten von pauschal einem Prozent von dieser Pflicht befreien. In diesen Fällen sind wegen ungleich höherer Inflationsraten faktische Rentenschmälerungen die Folge.
Aber bestehende Betriebsrentner sind dem IVS zufolge immer noch diejenigen, denen die derzeitige Inflation am wenigsten schadet. Was auf Unternehmen zukommt, skizziert IVS-Vize Stefan Oecking mittels Beispielrechnung für ein Unternehmen mit Pensionspflichten von 100 Millionen Euro. Für bestehende Betriebsrentner und noch arbeitende Anwärter auf eine Betriebsrente hatte die Musterfirma vor dem jetzigen Inflationssprung für 2022 noch eine Aufstockung der Pensionsrückstellungen von rund drei Millionen Euro einkalkuliert. Diese Summe verdopple bis verdreifache sich nun für typische Kleinunternehmen oder Mittelständler und versiebenfache sich sogar für international operierende Konzerne. Denn die hätten in ihren Bilanzen oft ein sogenanntes Planvermögen exklusiv für Betriebsrentner reserviert, das nun hohe Zusatzkosten für Inflationsausgleich nach sich zieht. „Der Aufwand steigt dramatisch an“, erklärt Oecking. Für die gesamte deutsche Wirtschaft geht es dabei um Milliardensummen, um die Betriebsrenten inflationsbedingt aufgestockt werden müssen.
Am wohl härtesten davon getroffen seien aber noch arbeitende Anwärter auf Betriebsrenten, sagt IVS-Chef Friedemann Lucius. Denn für deren Anwartschaften gebe es mit Ausnahme von Gehaltserhöhungen so gut wie keinen Inflationsschutz. „In den meisten Fällen führt die Inflation für Anwärter zu einer Entwertung ihrer erdienten Ansprüche“, folgert Lucius. Besonders betroffen seien Altersgruppen unterhalb von 40 bis 50 Jahren.
Wegen unterschiedlichem Inflationsschutz drohe damit eine Generationenlücke zwischen heutigen und künftigen Betriebsrentnern, die erst in 20 bis 30 Jahren voll sichtbar wird. „Die Generationenschere geht immer weiter auf“, sagt Lucius voraus. Deshalb machen die IVS-Experten einen Vorschlag, der einigen politischen Zündstoff enthält. Demnach sollen laufende Betriebsrenten nur noch bis zu einer Höhe von 548 Euro monatlich vollen Inflationsschutz erfahren. So eingesparte Gelder müssten Unternehmen verpflichtend dafür verwenden, die drohende Versorgungslücke bei ihren Rentenanwärtern zu verringern. Die Generation heutiger Betriebsrentner hätte damit weniger Inflationsschutz, die künftige aber mehr. Bei einer Bemessungsgrenze von 548 Euro seien nur maximal ein Fünftel aller Betriebsrentner von weniger Inflationsschutz betroffen, sagt das IVS.