Wirtschaft überraschend stark

von Redaktion

VON FRIEDERIKE MARX

Wiesbaden/München – Nach einem überraschenden Wachstum im Sommer drohen der deutschen Wirtschaft harte Monate angesichts der ungebremst steigenden Inflation. Im dritten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) trotz starken Gegenwinds um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu, wie aus einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Ökonomen, die im Schnitt mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung gerechnet hatten, sehen darin allerdings nur die Ruhe vor dem Sturm. Sorge bereitet vor allem die Inflation, die im Oktober auf 10,4 Prozent stieg. In Bayern waren es sogar elf Prozent. Die Teuerungsrate erreichte damit einen neuen Höchststand seit etwa 70 Jahren.

Hohe Inflationsraten schmälern die Kaufkraft der Verbraucher. Das dämpft den Privatkonsum als wichtige Konjunkturstütze. Angetrieben wird die Inflation seit Monaten von stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen. Inzwischen erfassen die Preissteigerungen aber immer weitere Bereiche des täglichen Lebens. Nach Einschätzung von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski dürfte die Teuerungsrate erst im nächsten Frühjahr wieder in den einstelligen Bereich sinken.

Volkswirte rechnen daher damit, dass der deutschen Wirtschaft harte Monate bevorstehen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zufolge dürfte es sich bei dem unerwartet guten Quartalsergebnis nur „um die Ruhe vor dem Sturm handeln“. Die hohe Inflation lasse die Kaufkraft der Konsumenten einbrechen. „Alles spricht für ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im Winterhalbjahr.“

Getragen wurde das Wachstum im Zeitraum Juli bis September der ersten Schätzung zufolge vor allem noch von den privaten Konsumausgaben. Nach dem leichten Anstieg im Frühjahr um 0,1 Prozent habe sich die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal trotz schwieriger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen behauptet, erläuterte das Statistische Bundesamt am Freitag.

Laut Ifo-Institut müssen sich die Menschen weiter auf deutlich höhere Preise beim Lebensmittelkauf einstellen. Rund 97 Prozent der befragten Lebensmittelhändler wollten mehr verlangen. „Die Inflationswelle ist noch nicht gebrochen“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Vor allem die hohen Energiekosten sind noch nicht vollständig auf die Verbraucher überwälzt.“

Im Vergleich zum Vormonat September stiegen die Verbraucherpreise in Europas größter Volkswirtschaft den vorläufigen Daten zufolge im Oktober um 0,9 Prozent.

Die Bundesregierung will Verbraucher und Unternehmen wegen der stark steigenden Energiepreise mit einem Abwehrschirm von bis zu 200 Milliarden Euro unterstützen. Davon sollen auch eine Gas- und eine Strompreisbremse finanziert werden. Bisher hat die Bundesregierung eine Einmalzahlung auf den Weg gebracht: Im Dezember sollen die Gas-Abschlagszahlungen übernommen werden.

Für das Gesamtjahr 2022 sagen Prognosen noch ein Wachstum für die deutsche Wirtschaft voraus. Fürs kommende Jahr insgesamt rechnen Volkswirte mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung.

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