Herzogenaurach – Es könnte ein Vorbote für neue Hiobsbotschaften aus der deutschen Autoindustrie sein. Schaeffler als einer der größten Autozulieferer der Republik will bis Ende 2026 weltweit rund 1300 von 82 700 Stellen streichen, wobei allein in Deutschland rund 1000 Jobs abgebaut werden sollen. Als Grund nennt der Konzern den zuletzt beschleunigten Wandel hin zur Elektromobilität. Wettbewerbsfähige Kosten seien entscheidend, um Schaeffler auf die Elektrifizierung des Antriebsstrangs auszurichten, erklärte Konzernvorstand Matthias Zink.
Überkapazitäten im Verbrennerbereich müssten abgebaut und die Kostenbasis gesenkt werden. Letzteres trifft aber auch Stellen beim im Hochfahren begriffenen Bereich Elektromobilität. Dort solle unter anderem die Effizienz im Prototypenbau verbessert werden, was den baden-württembergischen Standort Bühl und die Konzernzentrale im fränkischen Herzogenaurach trifft. Abgebaut wird in Verwaltung, Forschung und Entwicklung sowie Produktion. Rund 100 Millionen Euro jährlich sollen dadurch gespart werden. Der Abbau soll einmalig 130 Millionen Euro kosten, was die Bilanz 2022 belasten wird.
Die IG Metall zeigt für die Pläne im Grundsatz Verständnis, obwohl aktuelle Geschäftszahlen von Schaeffler auf den ersten Blick keine große Not erkennen lassen. „Das hat uns nicht vollkommen überrascht“, sagt der in der Gewerkschaft für das Unternehmen zuständige IG Metall-Chef Schweinfurts, Thomas Höhn. Schaeffler sei ein Mischkonzern mit einem starken Bein im Industriegeschäft bei Windkraftanlagen, das derzeit ausgezeichnet läuft.
Im Autobereich dagegen seien die Renditen unter Druck. Das ist insofern richtig, als das allgemeine Industriegeschäft, das für ein Viertel der Konzernumsätze steht, derzeit rund die Hälfte der operativen Gewinne beisteuert. Allerdings ist auch das Autogeschäft mit einem Viertel Umsatzanstieg auf 2,6 Milliarden Euro im vergangenen Quartal sichtbar in die Gänge gekommen.
Gestiegene Beschaffungskosten könnten nun in allen Bereichen auf den Markt abgewälzt werden, betont Schaeffler zudem. Allerdings liegt die operative Rendite im Automobilbereich mit aktuell drei Prozent klar unter den 8,4 Prozent im Konzernschnitt. Was die IG Metall nun auf alle Fälle verhindern will, sind betriebsbedingte Kündigungen oder gar Werksschließungen. Ersteres ist nicht so einfach, weil Schaeffler erst vor zwei Jahren 4400 Stellen gestrichen hat und Spielräume für sozialverträglichen Abbau von daher nicht mehr so groß sind. Eine 2018 mit der IG Metall geschlossene Zukunftsvereinbarung schließt betriebsbedingte Kündigungen andererseits erst einmal aus. Die Gewerkschaft pocht auf deren Einhaltung. Andererseits aber sind in den jetzigen Abbauplänen die beiden Werke, die am meisten unter Druck stehen, noch gar nicht enthalten. Das sind die reinen Schaeffler-Verbrennerstandorte Ingolstadt mit 390 Beschäftigten und das rheinland-pfälzische Morbach mit weiteren 200 Leuten. Für diese beiden Fabriken müsse erst noch ein Zukunftskonzept erarbeitet werden, sagen Schaeffler und IG Metall. Das Ringen darum sei „ergebnisoffen“, betont man im Konzern. Es kann auch scheitern, heißt das. Eine Garantie dafür, dass die beiden Standorte am Ende erhalten blieben, gebe es nicht, räumt Höhn ein.
Retten könne die Standorte eine Ansiedelung von Komponenten für die Elektromobilität oder das Schaeffler-Industriegeschäft. Für die Herzogenauracher Konzernzentrale sowie die Standorte Bühl und Homburg gibt es dagegen bereits konkrete Investitionspläne, die deren grundsätzliche Zukunft absichern. Herzogenaurach wird als Zentrum für Wasserstoffaktivitäten gestärkt und weitere Elektrokomponenten erhalten. Bühl wird als weltweites Leitwerk für Elektromotoren aufgerüstet. In Homburg entsteht ein Kompentenzzentrum für Walzkörper. Für Ingolstadt und Morbach muss eine neue Zukunft erst noch gefunden werden.