Trübes WM-Geschäft

von Redaktion

VON CHRISTIAN JOHNER

München/Berlin – Mit dem Fanschal um den Hals und gemeinsam mit Freunden vor einem großen Bildschirm im Biergarten bei Spielen einer Fußball-Weltmeisterschaft mitfiebern – das wird diesmal nichts. Die am 20. November in Katar beginnende WM verspricht hierzulande eher eine trostlose Veranstaltung zu werden.

„Sicherlich wäre es für den Einzelhandel einfacher gewesen, wenn das Turnier in bewährter Manier zum Sommertermin durchgeführt worden wäre. Und sicher ist die Situation mit dem Austragungsort Katar eine besondere“, sagte ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland. Eine Fußball-WM sorge erfahrungsgemäß für Impulse bei Fanartikeln, Trikots und bei bestimmten Lebensmitteln. Eine WM in Katar sei aber nicht mit Sportereignissen im eigenen Land zu vergleichen, so der Sprecher. „Auch werden Fan-Events im öffentlichen Raum im Winter sicher deutlich seltener stattfinden.“ Außerdem sorgten steigende Energiekosten für gebremsten Konsum. Prognosen für das WM-Geschäft seien schwierig, da der Handelsverband bisher keine Erfahrung mit solch einem Turnier gemacht habe.

Beim Handelsverbund Intersport fällt die Nachfrage nach WM-Fanartikeln dieses Mal deutlich verhaltener aus. „Aufgrund des Zeitpunkts der WM im Winter gibt es keine Public-Viewing-Events und auch keine Biergärten, wo Stimmung und sehr viel Bedarf für Artikel aufkommen würde“, sagte Frank Geisler vom Vorstand von Intersport Deutschland. Der Austragungsort werde von den Kunden sowie von Intersport kritisch gesehen. „Da kommt bisher weniger Euphorie auf.“´Ähnlich sieht man das bei der Sportartikelkette Decathlon. „Wir haben uns dazu entschieden, die diesjährige Fußball WM nicht proaktiv zu bewerben“, erklärte eine Sprecherin von Decathlon Deutschland auf Anfrage unserer Zeitung. „Wir nehmen die öffentliche Kritik zum Austragungsort und den vor Ort herrschenden Bedingungen sehr ernst.“

Der Sportartikel- und Kleidungshersteller Adidas erwartet indes von der Weltmeisterschaft trotz der Rahmenbedingungen ein Millionengeschäft – konkret erhofft sich das Unternehmen aus Herzogenaurach einen Umsatzschub von bis zu 400 Millionen Euro, wie ein Sprecher mitteilte. Der Umsatz im Bereich Fußball sei in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsen. „Auch im Vergleich zur WM 2018 verzeichnen wir eine stärkere Nachfrage.“

Vor großen Fußballturnieren bricht normalerweise das Sammelfieber in Deutschland aus. Die begehrten Fußball-Sammelbilder stehen vor der umstrittenen WM jedoch nicht so hoch im Kurs wie sonst. Der Geschäftsführer des Stuttgarter Panini Verlags, Hermann Paul, sagte der „Augsburger Allgemeinen“, er erwarte ein deutlich schlechteres Geschäft als bei früheren Turnieren.

Dieses Mal könnte auch deutlich weniger Bier über die Ladentische und Theken gehen. „Unsere Branche erwartet sich keine Impulse, das muss man ganz nüchtern betrachten“, sagte der Chef des Deutschen Brauer-Bunds, Holger Eichele. „Sommerliches Wetter ist grundsätzlich der beste Bierverkäufer, während die Turnierverschiebung in die kalte Winterzeit die Lust auf kühles Bier mindern dürfte“, sagte eine Sprecherin der Radeberger Gruppe. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Nachfrage deutlich unter dem Niveau ähnlicher sportlicher Großereignisse bleiben werde. Wegen des in der Kritik stehenden Austragungsortes sollen einige Gastronomen außerdem angekündigt haben, auf Liveübertragungen zu verzichten.

Große Fußballturniere nutzten die Menschen in der Vergangenheit gerne, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen – zur Freude der Elektronik-Branche. Einen merklichen Anstieg des Absatzes bei TV-Produkten wie bei vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften gebe es bei der Ingolstädter Elektronik-Fachmarktkette MediaMarktSaturn derzeit aber noch nicht, teilte eine Sprecherin mit.

Immerhin der Blick auf 2024 dürfte die hiesige Wirtschaft optimistisch stimmen. Dann nämlich findet die Europameisterschaft in Deutschland statt – wie gewohnt im Sommer.

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