München – Technischer Fortschritt basiert nur selten auf genialen Ideen. Oft sind es zäh erarbeitete, scheinbar unspektakuläre Neuerungen, die die Welt verändern. Etwa der Eco-PaintJet von Dürr Systems. Der schwäbische Industrie-Ausrüster hat ein Lackiersystem entwickelt, das keinerlei Sprühnebel verteilt, sondern den Farbstrahl nur dort aufbringt, wo er hinsoll. Randscharf oder, wie es in der Branche heißt, oversprayfrei. Vorteil: kein Abkleben mehr, wo mehrere Lackfarben aufeinandertreffen, weniger Müll, weniger Rohstoffverbrauch. Für diese Entwicklung zeichnete BMW Dürr Systems mit dem Supplier Innovation Award in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ aus.
Das Verhältnis der großen Automarken und ihrer Lieferanten gilt ja nicht gerade als unbelastet. Preisdruck und hohe Anforderungen an die Flexibilität sorgen immer wieder für Schweißperlen auf der Stirn von deren Managern.
Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Die Zulieferer sind für die Entwicklung neuer Technologien unverzichtbar und vom Beginn jeder Entwicklung eng mit den Herstellern, den sogenannten OEM, verflochten. Man braucht einander. „In Krisenzeiten zeigt sich, wie gut eine Beziehung ist“, sagte BMW Einkaufsvorstand Joachim Post bei der Veranstaltung in der BMW-Welt, in der der Konzern nach dreijähriger Corona-Pause Lieferanten in sechs Kategorien mit dem Preis auszeichnete.
Manchmal treffen bei der Entwicklung auch völlig unterschiedliche Welten aufeinander, um etwas völlig Neues zu schaffen. So gilt der Versandhändler Amazon nicht und der Flugzeugausrüster Garmin nur ganz nebenbei als Automobilzulieferer. Doch die beiden US-Unternehmen haben gemeinsam mit Webasto aus Stockdorf und CarUX aus Singapur den aus dem Dach ausfahrbaren Theatre-Screen entwickelt, der den Fond der BMW-Oberklassemodelle in eine von der Außenwelt abgeschirmte Kinolounge verwandelt. Dafür gab es den Preis in der Kategorie „Kundenerlebnis“. „Mehr Kino-Atmosphäre geht nur im Kino“, lobte Martin Frensch, der bei BMW fürs Interieur zuständig ist.
Manchmal kann man Innovation von Vorbildern aus der Natur abschauen. So ist die Struktur der Power-Ribs des Unternehmens Bcomp von Blattadern inspiriert. Das sorgt für maximale Steifigkeit bei minimalem Gewicht. Sie bestehen aus Flachsfasern und können carbonfaserverstärkte Kunststoffteile ersetzen, bei denen ja fossile Rohstoffe im Spiel sind. Bcomp liefert auch Amplitex – ebenfalls aus Leinen – das herkömmliches Deckmaterial ersetzen kann. Durch beide Innovationen können 70 Prozent des Kunststoffs in Innenverkleidungen ersetzt werden, und der damit verbundene CO2-Fußabdruck um drei Viertel schrumpfen. Dafür zeichnete BMW Bcomp als „Newcomer of the Year“ aus.
Seit Februar herrscht Krieg in Europa. Die von Russland überfallene Ukraine ist aber ein wichtiger Standort der Zulieferindustrie. Ein Großteil der für jedes Auto un- verzichtbaren Kabelbäume kommt aus dem vom Krieg gebeutelten Land. Dass nach wenigen Wochen Schockstarre nach dem Angriff die Produktion wieder lief, belohnt BMW mit dem Preis in der Kategorie „Exceptional Team Performance“, der, wie Post sagte, vor allem den Mitarbeitern und deren außerordentlichem Engagement gilt. Viele übernachteten sogar in den Werken, um die Produktion unter schwierigen Bedingen am Laufen zu halten. Andere zogen zum Teil mit der Familie über die Grenze nach Rumänien, wo eilig neue Produktionskapazitäten aufgebaut wurden.