Die Werte des europäischen Fußballs sind Rolex und Euro

von Redaktion

VON JUSTUS HAUCAP

Gestern startete die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Es ist im Grunde eine Schande für den Fußball, vor allem für seine europäischen Vertreter bei UEFA, DFB und anderen europäischen Fußballverbänden.

War bei der letzten Weltmeisterschaft 2018 vor allem das sportliche Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft mehr als blamabel, muss man sich diesmal als Fußballfan für seine offiziellen Vertreter fremdschämen. Wenn Vertreter von UEFA, DFB etc cetera von ihren Werten sprechen, dürften eher Beträge in Euro und Dollar gemeint sein; Menschenrechte und Nachhaltigkeit gehören offenbar nicht dazu. Selten wurde so deutlich, dass Menschenrechte und auch die Zukunft des Planeten für den Profifußball in Europa – oder zumindest für dessen gewählte Repräsentanten – keine Rolle spielen, von Sonntagsreden zur Beschwichtigung der Fans einmal abgesehen.

Die Vertreter des Profifußballs haben sich nicht nur nicht gegen die Vergabe der WM nach Katar gestemmt. Sie haben diese sogar aktiv öffentlich verteidigt und befürwortet. Als nach der Entscheidung für Katar die öffentliche Kritik – Stichworte: Korruptionsvorwürfe, fehlende Einhaltung essenzieller Menschenrechte, Ausbeutung von Arbeitern, mangelnde Nachhaltigkeit – lauter wurde, lud Katar zahlreiche Vertreter des europäischen Spitzenfußballs nach Doha ein, unter ihnen auch Karl-Heinz Rummenigge, den Vorsitzenden der European Club Association.

Nach dem Rückflug wurde Rummenigge vom Zoll mit zwei unverzollten Rolex-Uhren erwischt. Er behauptete später, die Uhren seien ein Geschenk gewesen, von einem Freund, nicht von den Kataris. Seit 2018 sponsert Qatar Airways zudem Rummenigges Verein, den FC Bayern München, nach Medienangaben mit rund 20 Millionen Euro pro Jahr. Die Kritik der Fans wurde von Uli Hoeneß als peinlich bezeichnet – aber nicht etwa für den FC Bayern, sondern für die Fans selbst. Dies zeigt, wie weit sich die offiziellen Vertreter des Profifußballs von der Lebensrealität der Menschen, der Fans, entfernt haben.

Der Grund für diese Fehlentwicklungen ist allerdings weniger im Verhalten Einzelner zu suchen, sondern vielmehr systematischer Natur. Die FIFA bildet mitsamt ihrer Unterverbände ein Monopol, das vollkommen unreguliert ist und somit alle negativen Konsequenzen eines Monopols zeigt. Da Wettbewerb sich inhärent nicht einstellen kann – wer will schon wirklich zwei, drei oder vier konkurrierende Weltmeisterschaften sehen wie etwa im Boxsport? – bleibt aber eigentlich nur eine Aufsicht über das Monopol oder eine Regulierung. Hier aber fehlt es der Politik an Mut – niemand möchte sich mit dem Sport anlegen. Auch ganz aktuell darf der FIFA-Präsident beim G20-Gipfel zu den Staatsführern sprechen, anstatt ihn zur Persona non grata zu erklären.

Auch von Sponsoren geht kaum Druck aus. Mit Adidas ist ohnehin nur noch ein europäischer Sponsor verblieben. Und chinesische Sponsoren werden sich nicht besonders für Menschenrechte und Nachhaltigkeit interessieren. Es gibt also nicht viel Hoffnung, dass sich in Zukunft etwas ändern wird. Seien wir ganz realistisch: Es wird bei Sonntagsreden bleiben. Der Fußball gehört längst den Funktionären und schon lange nicht mehr den Fans.

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