Konjunktur: „Das Glas ist noch halb voll“

von Redaktion

VON MATTHIAS SCHNEIDER

München – Mit dem nahenden Winter kehrt in Bayerns Wirtschaft vorsichtiger Optimismus ein: Volle Gasspeicher und stabile Gaslieferungen machen einen Energiemangel im Winter unwahrscheinlich. „Das Glas ist halbvoll“, sagt Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), in Anspielung auf den Konjunktur-Index der Arbeitnehmer-Vertreter. Den bildet der bayerische Wirtschaftsverband nämlich traditionell als Bierglas ab. Gegenüber dem Frühjahr ist die Stimmung der Befragten von 126 auf 103 Punkte gefallen.

Vor allem in den ersten drei Quartalen des Jahres habe sich die Konjunktur stabiler als lange befürchtet gezeigt: Hohe Konsumausgaben im Freizeitbereich, das weitgehende Ende der Corona-Maßnahmen, sowie eine gute Auftragslage hätten für Wachstum gesorgt.

Doch die Erwartungen der Betriebe sind alles andere als rosig: „Unser Bruttoinlandsprodukt wird im Jahresdurchschnitt 2022 noch um gut eineinhalb Prozent höher ausfallen als 2021. Aber bereits im laufenden vierten Quartal gehen wir von einem Rückgang des BIP aus. Der aktuelle Krisen-Cocktail zeigt seine Wirkung“, so Wolfram Hatz.

In der Tat wird die Wirtschaft gerade von vielen Seiten in die Enge gedrängt: Der anhaltende Mangel von Rohstoffen und Vorprodukten erschwert die Produktion, die global sinkende Nachfrage zeigt sich in den Auftragsbüchern. Das derzeit größte Problem seien jedoch die enorm gestiegenen Energiepreise: „Die Energiekosten haben sich in Europa stärker verteuert als anderswo und Versorgungssicherheit ist nicht mehr gegeben“, so Hatz. „Das schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit.“

Der Bundesregierung stellt Hatz für den geplanten Gas- und Strompreisdeckel indes ein gutes Zeugnis aus. Dennoch müssten jetzt die Weichen für die Zukunft gestellt werden: „Wir brauchen jetzt einen Masterplan Energie 2030 mit einem klaren Konzept für eine Wasserstoffwirtschaft“, forderte der vbw-Chef. Komme dieser Masterplan nicht bis zum Frühjahr, werde die vbw ihn selbst schreiben.

Indes komme das geplante Lieferkettengesetz der EU zur Unzeit: „Das ist ja ethisch richtig und das kann man gerne machen, wenn die Konjunktur gut läuft.“ Im Moment hätten die Einkäufer jedoch Probleme, überhaupt Rohstoffe zu bekommen. „Und dann sollen sie auch noch schauen, wo die herkommen und wie sie produziert wurden“, so Hatz. Das sei nur sehr schwer möglich.

Perspektivisch das größte Problem seien jedoch die Demografie und der Fachkräftemangel. „Wir werden mehr Arbeitslose sehen, aber gleichzeitig immer mehr Fachkräfte brauchen“, erklärte Hatz. Denn oftmals würden die Arbeitslosen nicht zu den Anforderungen der Unternehmen passen. vbw-Geschäftsführer Bertram Brossardt machte an dieser Stelle jedoch Hoffnung: „In Bayern haben wir eine starke schulische und betriebliche Bildung. Das hilft dabei, dem Wandel zu begegnen.“

Um dem demographischen Wandel, also dem Renteneintritt von jährlich rund 400 000 Menschen begegnen zu können, brauche es jedoch Zuwanderung: „Je besser sie qualifiziert sind und je besser sie Deutsch sprechen, desto lieber ist uns das natürlich“, so Hatz. „Aber auch wenn sie das nicht tun, nehmen wir die Herausforderung an und bringen Ihnen die Sprache eben bei.“

Ein besseres Stimmungsbild zeigt indes der Ifo-Geschäftsklimaindex: „Mit den laufenden Geschäften waren die Unternehmen zwar weniger zufrieden, aber der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate ließ merklich nach“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Rezession dürfte weniger tief ausfallen als viele erwartet hätten.

Die Stimmung verbesserte sich in allen Bereichen der Wirtschaft, besonders aber in der Industrie und in der Dienstleistungsbranche. „Die Rezession verliert ihren Schrecken“, kommentierte Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank. Er erwartet, dass die Unsicherheit über die Energieversorgung und damit die Sorgen um die Produktion in den kommenden Monaten zurückgeht. Die deutschen Unternehmen stünden allerdings vor langfristigen Herausforderungen, sagte Kater.

Sein Commerzbank-Kollege Jörg Krämer verwies auf das Entlastungspaket der Bundesregierung und darauf, dass das Risiko eines Gasmangels deutlich gesunken sei. „Ich erwarte unverändert eine Rezession, mehr denn je aber keinen wirtschaftlichen Kollaps.“ mit Material der dpa

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