Deutsche Wirtschaft überraschend robust

von Redaktion

VON ANDREAS HÖSS

Wiesbaden/Nürnberg – Der Ukraine-Krieg, die Teuerung und immer noch gerissene Lieferketten: Die Rahmenbedingungen hätten für die deutsche Wirtschaft im Sommer nicht schlechter sein können. Angesichts dessen sind die endgültigen Zahlen zum Wirtschaftswachstum, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag gemeldet hat, erfreulich: Demnach wuchs die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal und damit etwas stärker als zunächst angenommen. Insgesamt war die Wirtschaftsleistung sogar erstmals wieder leicht höher als vor der Corona-Pandemie.

Zwischen Juli und September erwies sich vor allem der private Konsum als Stütze des Wachstums. Trotz hoher Preise hätten die Verbraucher das Ende fast aller Corona-Beschränkungen genutzt, um zum Beispiel mehr zu reisen und auszugehen, so die Statistikbehörde. Auch der internationale Handel habe trotz der angespannten Weltlage zugenommen. Und in der Industrie hätten die Produktionssteigerungen im Auto- und Maschinenbau die Rückgänge in energieintensiven Branchen wie der Chemie kompensiert. Die Bauinvestitionen waren hingegen wie schon im zweiten Quartal deutlich rückläufig, hier bremsten hohe Baupreise und gestiegene Hypothekenzinsen das Geschäft.

Für den Winter erwarten viele Ökonomen nun eine Rezession. „Höhere Inflation und geringeres Wachstum sind der saftige Preis, den die Weltwirtschaft für Russlands Krieg gegen die Ukraine zahlt“, stellte die Industriestaaten-Organisation OECD unlängst klar. Sie rechnet 2023 weltweit nur noch mit 2,2 Prozent Wachstum. Einen harten Konjunkturabsturz hält sie hingegen wie die meisten Wirtschaftsauguren für wenig wahrscheinlich. Einbrüche wie in der Finanz- oder Corona-Krise würden nur bei einer Gasmangellage drohen, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Seib. Aber an der „dürften wir dank voller Speicher und vor allem erheblicher Sparanstrengungen von Unternehmen und Haushalten vorbeikommen“. Ähnlich sieht es auch Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank. Das Risiko einer Gasrationierung sei deutlich gesunken, der „Schmerz bei den Materialengpässen“ habe nachgelassen und die Bundesregierung habe ihr Entlastungspaket massiv aufgestockt. „Ich erwarte unverändert eine Rezession, mehr denn je aber keinen wirtschaftlichen Kollaps“, bilanzierte Krämer.

Neben dem Wachstum gab es auch noch andere Konjunkturdaten, die darauf hindeuten, dass Deutschlands Wirtschaft überraschend robust ist. So lassen laut dem Münchner ifo-Institut die Lieferprobleme und die schlechte Stimmung im Einzelhandel nach. Derzeit berichten laut einer Umfrage der Forscher nur noch 71,1 Prozent der Händler von Nachschubproblemen, 3,8 Prozentpunkte weniger als im Oktober und fast zehn Prozentpunkte weniger als noch vor etwa einem Jahr. Besonders oft gibt es derzeit noch bei Unterhaltungselektronik und Genussmitteln Engpässe.

Zudem blickt momentan etwa die Hälfte der Einzelhändler pessimistisch in die Zukunft. Das ist immer noch schlecht, allerdings besser als im Oktober – da waren es noch zwei Drittel gewesen. Vor allem der sogenannte Black Friday, an dem viele Produkte mit hohem Rabatt angeboten werden, macht den Händlern Hoffnung. „Viele Kunden sind wegen der hohen Inflationsraten auf der Suche nach Schnäppchen“, sagt Klaus Wohlrabe vom ifo-Institut.

Gleichzeitig mit dem Einzelhandel hellte sich auch die Stimmung der Verbraucher etwas auf. Der GfK-Konsumklimaindex stieg von minus 41,9 auf minus 40,2 Punkte, wie die Konsumforscher am Freitag mitteilten. Die Furcht der Verbraucher vor explodierenden Energiepreisen habe sich etwas abgeschwächt, erklärte Konsumexperte Rolf Bürkl von der GfK. Vor allem würden die Verbraucher nach einem Rekordtief im September wegen der stabilen Beschäftigungslage und der jüngsten Tariferhöhungen wieder höhere Einkommen erwarten. Bei der Neigung, neue Dinge anzuschaffen, habe es hingegen einen kleinen Rückschlag gegeben. Die Konsumenten würden Geld für höhere Energiekosten zur Seite legen, so Bürkl. „Diese Mittel fehlen für andere Anschaffungen und Käufe.“  Mit Material von dpa

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