Brüssel/Moskau – Gut neun Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine macht die Europäische Union ernst. Seit heute soll schrittweise ein Öl-Embargo gegen Russland greifen. Zugleich haben die EU und die G7-Partner einen Ölpreisdeckel beschlossen: Sie wollen Russland vorgeben, zu welchem Preis es sein Erdöl auf dem Weltmarkt verkaufen darf –nicht mehr als 60 US-Dollar (57 Euro) je Barrel (159 Liter). Ziel ist, die Kriegskasse des Kreml auszutrocknen und die Energiepreise zu stabilisieren. Aber schneiden sich die Europäer damit nicht ins eigene Fleisch? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie läuft das Embargo zeitlich genau ab?
Im Anschluss an den Start des EU-Embargos und des Preisdeckels an diesem Montag folgen zwei weitere Schritte: Nach dem Stopp der Seeimporte will Deutschland bis Jahresende auch auf russische Öl-Lieferungen über die Pipeline Druschba (Freundschaft) verzichten. Ab 5. Februar gilt EU-weit auch ein Importstopp für verarbeitete Produkte wie Diesel oder Kerosin aus Russland. Diese beiden Schritte dürften Deutschland mehr berühren als der Auftakt am Montag.
Hat Deutschland auch ohne Russland genug Öl?
Vor Beginn des Ukraine-Kriegs deckten Ölimporte aus Russland rund 35 Prozent des deutschen Bedarfs. Grob gesagt kam davon ein Drittel per Tanker, zwei Drittel flossen über die Druschba in die ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt. Laut Wirtschaftsverband Fuels und Energie sanken die Rohölimporte aus Russland bis Oktober 2022 auf 16 Prozent. Ersatz kommt aus Großbritannien, den USA und Kasachstan. Der Branchenverband geht davon aus, dass das russische Tankeröl rechtzeitig vollständig ersetzt wird.
Was soll der Preisdeckel für russisches Öl?
Ziel ist, russische Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu drücken. Russland soll durchaus weiter Öl an Drittstaaten vermarkten – sonst würde Öl auf dem Weltmarkt noch knapper –, aber zu einem vom Westen diktierten niedrigen Preis. Das Projekt wurde maßgeblich von den Amerikanern vorangetrieben, die befürchteten, dass das europäische Einfuhrverbot die Preise für nichtrussisches Öl und damit auch für Benzin in die Höhe treiben könnte. Nun ist die Hoffnung, dass die Preisobergrenze zu einer Entspannung führt.
Wie soll das Embargo genau funktionieren?
Die EU setzt den Hebel bei den Transporten und den dafür nötigen Dienstleistungen an. Denn europäische Reedereien sollen mehr als die Hälfte aller Tanker auf der Welt betreiben. Das Prinzip lautet: Fuhren mit russischem Öl in Drittstaaten sind verboten –es sei denn, der Preis für die Ladung liegt nicht höher als der Deckel. Wird die Preisgrenze eingehalten, können westliche Reedereien also weiter russisches Öl nach Indien, China oder in andere Länder bringen. Dieselbe Regelung soll für Dienstleistungen wie Versicherungen oder technische Hilfe gelten. Die G7-Staaten und Australien tragen den Ölpreisdeckel mit.
Wird diese Rechnung aufgehen?
Das ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Die nun festgesetzte Obergrenze von 60 Dollar je Barrel liegt unter dem jüngsten Marktpreis von 69 Dollar für russisches Öl. Die Ukraine findet die Preisobergrenze deshalb zu hoch. Die Grenze wurde jedoch absichtlich so nah am Marktpreis festgesetzt, dass sich für Russland Exporte trotzdem lohnen. Das westliche Kalkül: Der Kreml werde auf die Einnahmen aus Exporten an Drittstaaten nicht verzichten.
Werden Heizöl und Diesel in Deutschland billiger?
Auch das hängt von der Reaktion Russlands und der Weltmärkte ab. Grundsätzlich entwickeln sich der Heizölpreis und der internationale Preis für Rohöl in dieselbe Richtung, wenn auch mit etwas Zeitverzug. Doch wirken auch andere Faktoren wie Konjunktur, Nachfrage, Steuern, Abgaben sowie Transport- und Lagerkosten.
Und wie wird sich das Öl-Embargo auswirken?
Kritiker warnen, dass Verbraucher den deutschen Verzicht auf russisches Pipeline-Öl ab 1. Januar vor allem in Ostdeutschland an der Zapfsäule zu spüren bekommen. Hintergrund ist die Lage in der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Das Werk mit 1200 Mitarbeitern verarbeitet seit Jahrzehnten russisches Öl aus der Druschba und versorgt weite Teile Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs und die Hauptstadt Berlin einschließlich des Flughafens BER. Noch immer ist unklar, woher künftig das Öl zur vollen Auslastung der PCK kommen soll.