Entlastungspakete künftig besser ohne Gießkanne

von Redaktion

Passend zur Adventszeit werden die ersten Pakete der neuen Entlastungsprogramme bei den Haushalten ankommen. Die öffentliche Hand erstattet den Versorgern die Abschlagszahlungen für den Monat Dezember, sodass die Haushalte diese nicht leisten müssen. Das Geld können sie in der Weihnachtszeit gut gebrauchen. Ab März 2023, mit Rückwirkung auf Januar und Februar, greift dann die eigentliche Bremse bis April 2024. Die Preise für 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs für Strom, Gas und Wärme werden gedeckelt.

Auch wenn es nicht strittig ist, dass in einer solchen Krise die öffentliche Hand Unterstützungsprogramme auflegt, so werden die konkreten Maßnahmen doch wegen ihrer geringen Zielgenauigkeit kritisiert. Die Programme für Haushalte unterscheiden nur nach Vorjahresverbrauch, nicht aber nach finanzieller Leistungsfähigkeit der Haushalte. Förderung mit der Gießkanne.

Doch warum genau ist dies problematisch? Es ist doch sicher besser, wenn die Gelder bei den Haushalten ankommen, als wenn sie der Staat selber verbraucht, oder nicht? Sozusagen von der linken Tasche (es ist ja Geld der Steuerzahler) in die rechte Tasche. Aber die Tasche hat Löcher. Um dies zu sehen, lohnt ein Blick darauf, wo denn die Gelder herkommen.

Der Staat finanziert die Programme mit Steuern und Krediten, wobei die Kredite irgendwann wieder zurückgezahlt werden müssen – mit neuen Steuern und Krediten. Wenn man sich die Steuern anschaut, so gibt es zum einen solche, die ein gewünschtes Verhalten induzieren. So führt eine Tabaksteuer zu geringerem Tabakkonsum, und eine CO2 Steuer führt dazu, dass weniger CO2 emittiert wird. Unerwünschtes Verhalten wird teurer.

Dann gibt es neutrale Steuern. Neutral insofern, dass durch sie keine Verhaltensänderungen bewirkt werden. Die derzeit geplante Zufallsgewinnsteuer wäre so ein Kandidat, zumindest im Lehrbuch. In der Umsetzung wird auch diese Steuer nicht ohne Auswirkungen sein – Investoren im Energiemarkt werden im Hinterkopf behalten, dass zukünftig, wenn es ernst wird, die Gefahr besteht, dass der Staat auch dann die Gewinne besteuern kann.

Ein Großteil der Steuereinnahmen entsteht aber durch verzerrende Steuern, also Steuern, die zu unerwünschten Verhaltensänderungen führen. Das Paradebeispiel ist die Auswirkung der Lohnsteuer und des Ehegattensplittings auf die Arbeitsanreize des Zweitverdieners im Haushalt – häufig die Ehefrau. Studien zeigen, dass die Abschaffung des Ehegattensplittings zu einer Erhöhung der Arbeitsstunden von Frauen in der Größenordnung von 240 000 Vollzeitstellen führen würde, da sie nun nicht mehr mit dem hohen Steuersatz des Erstverdieners besteuert werden.

Diese verzerrenden Auswirkungen der Steuern auf das Wirtschaftsgeschehen sind grundlegender Natur: Es wird geschätzt, dass pro 100 Euro Einkommensteuer, die der Staat einnimmt, bis zu 30 Euro an Wirtschaftsleistung verloren gehen, weil wegen der Steuer Menschen weniger arbeiten oder Unternehmen weniger investieren oder ins Ausland abwandern. Das gilt im Durchschnitt – der Euro mit der höchsten Verzerrung, den der Staat einnimmt, kostet mehr als einen weiteren Euro an Wirtschaftsleistung.

Damit bekommt das Entlastungsprogramm eine Rechnung: Die zukünftig dafür notwendigen 200 Milliarden Euro an Steuereinnahmen gehen mit einer Reduktion der Wirtschaftsleistung von mehr als 200 Milliarden Euro einher, gut 5 Prozent der Gesamt-Wirtschaftsleistung.

Das spricht nicht gegen ein Entlastungsprogramm. Gerade in Krisenzeiten ist die Unterstützung der Haushalte und (einiger) Unternehmen sinnvoll, trägt dies doch dazu bei, dass die Wirtschaft nicht noch stärker einbricht. Allerdings schmerzt es dann besonders, wenn diese Ausschüttung mit der Gießkanne erfolgt, da die Gelder so „teuer“ eingenommen wurden. Ein Unternehmen, das die erhöhten Kosten weiterreichen kann, muss nicht kostspielig gefördert werden. Und auch bei den Haushalten wäre es besser gewesen, die Leistungsfähigkeit mit zu berücksichtigen. Künftige Förderprogramme, beispielsweise bei der Klimapolitik, sollten auf die Gießkanne verzichten. Dazu bedarf es besserer Daten und einer Verknüpfung dieser Daten, etwa zur Haushaltsgröße und zum Haushaltseinkommen. Dies muss jetzt vorbereitet werden.

Zu den Autoren

Professor Achim Wambach ist seit April 2016 Präsident des ZEW-Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Seit 2014 ist Wambach Mitglied der Monopolkommission. Der Ökonom gehört außerdem dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums an. Prof. Holger Stichnoth ist Leiter der Forschungsgruppe Ungleichheit und Verteilungspolitik am ZEW sowie Professeur conventionné an der Universität Straßburg.

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