„Ein Neubau kostet bis zu 20 Prozent mehr“

von Redaktion

München – Am bayerischen Immobilienmarkt geschieht derzeit Ungewöhnliches: Umsätze sacken ab, Projekte werden verschoben. Die Inflation und die Unsicherheit angesichts des Ukraine-Krieges haben deutliche Spuren hinterlassen. Was bedeutet das für Kaufwillige? Bauherren? Kapitalanleger? Eigenheimbesitzer? Wie geht es weiter am Immobilienmarkt? Darüber sprachen wir mit einer ganzen Reihe von Experten. Heute: Der Handwerker Franz Xaver Peteranderl ist Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern und des Bayerischen Handwerkstages. Und Peteranderl kennt sich aus in der Baubranche: In Garching im Landkreis München betreibt er in zweiter Generation ein Bauunternehmen.

In Ballungsräumen wie München fehlt es an Wohnraum, neue Gebäude könnten den Mangel beseitigen. Aber wird überhaupt noch gebaut?

Objekte, die schon begonnen wurden, laufen auch weiter. Aber überall dort, wo bisher nur geplant wurde, ist die Zurückhaltung spürbar.

Was heißt das konkret?

Der Baubeginn wird verschoben. Man sieht das ja auch an den aktuellen Baugenehmigungszahlen: Die sind rückläufig.

Was sind die Ursachen?

Bauen hat sich verteuert. Zum einen kann der Personalbedarf bei den Baufirmen nicht mehr zeitnah gedeckt werden. Zum Zweiten haben gestörte Lieferketten zu Preissteigerungen geführt. Drittens haben auch die hohen Energiekosten das Bauen verteuert. Und außerdem sind die Zinsen stark gestiegen.

Wie hat sich der Preis eines Einfamilienhauses entwickelt?

Das Einfamilienhaus dürfte jetzt über den Daumen gepeilt zwischen 15 und 20 Prozent mehr kosten als noch vor einem Jahr.

Und wo herrscht auf den Baustellen gerade Materialmangel?

Bei chemischen Vorprodukten ist es derzeit eng, etwa Bitumen. Zusätzlich werden allmählich Kies und Sand knapp. Aber nach wie vor gilt: Es ist alles lieferbar. Die Frage ist nur, wann die Ware kommt – und zu welchem Preis.

Wie war das vor der Krise?

Wenn ich früher beim Händler angerufen habe, hatte ich innerhalb von einer Woche mein Material. Diese Zeiten sind vorbei.

Muss auf der Baustelle jetzt regelmäßig umgeplant werden, weil sich eine Lieferung wieder verzögert?

Das kann im Einzelfall schon passieren. Aber die meisten Firmen sind dazu übergegangen, ausreichend Puffer während der Bauphase einzuplanen. Auch das verteuert das Bauen. Außerdem werden schon vor Baubeginn mit dem Bauherrn mögliche alternative Vorprodukte vereinbart.

Können Sie das anhand eines Beispiels erklären?

Nehmen wir die Wärmedämmung: Hier kann es sein, dass das vom Bauherrn gewünschte Produkt kurzfristig nicht lieferbar ist. Da ist es sinnvoll, wenn die Baufirma bereits eine Vereinbarung getroffen hat, auf welche möglichen Alternativen sie ausweichen darf. Ähnliches gilt für Holz. Auch hier benötigen die Baufirmen gerade mehr Flexibilität, falls eine bestimmte Holzart nicht lieferbar ist.

Hat das energetische Bauen die Kosten zusätzlich in die Höhe getrieben?

Ja, natürlich. Derzeit komme ich beispielsweise schwer an Photovoltaikanlagen. Das kann dazu führen, dass das Baugerüst sechs bis acht Wochen länger stehen muss – und auch das verteuert den Bau insgesamt. Das Problem fehlender Deponien hat sich ebenfalls verschärft.

Warum?

Die Deponien in Bayern sind vielerorts voll, die Politik hat das Problem in den vergangenen Jahren nicht gelöst. Im Schnitt werden Entsorgungsprodukte inzwischen rund 200 Kilometer bis zur nächsten Deponie gefahren. Teilweise wird Aushub aus Oberbayern sogar nach Sachsen transportiert und dort in den Abraumgruben der Lausitz entsorgt. Bei mehreren Lkw-Ladungen pro Haus macht sich der gestiegene Diesel-Preis schnell bemerkbar.

Wie wirken sich die höheren Zinsen aus?

Die spielen natürlich eine erhebliche Rolle. Im Frühjahr habe ich noch ein Prozent gezahlt, jetzt sind es zwischen drei und vier Prozent. Da können Privatpersonen ihren eng gesteckten Finanzierungsplan oft nicht mehr einhalten.

Mit welchen Folgen?

Ich weiß von einem Fall, da hat ein privater Bauherr seine Baugrube wieder zuschütten lassen. Eigentlich wollte er ein Einfamilienhaus bauen, die Finanzierung war aber noch nicht unter Dach und Fach.

Aber dann hätte er den Baubeginn doch einfach verschieben können?

Theoretisch, ja. Aber um die Baugrube stand bereits ein Bauzaun, damit keine Unfälle passieren. Dann hat der Kunde ausgerechnet, dass es billiger ist, die Baugrube wieder zuschütten zu lassen, um sie in ein paar Jahren wieder zu öffnen. Jahrelang den Bauzaun stehen zu lassen kostet schließlich auch Geld.

Ein Massenphänomen?

Nein, das sind zum Glück Einzelfälle. Aber dass der Baubeginn um ein paar Wochen oder Monate verschoben wird, das sehen wir momentan häufiger.

Gleichzeitig will die Bundesregierung, dass jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen entstehen. Ist dieses Ziel angesichts der hohen Baupreise noch realistisch?

Nein. Die Bundesregierung wird ihre Ziele ganz klar verfehlen. In der gesamten Legislaturperiode sollten eigentlich 400 000 sozial geförderte Wohnungen entstehen, aber schon im ersten Jahr wurden die dafür nötigen 100 000 Wohnungen nicht gebaut. Daher ist klar, dass die Regierung dieses Ziel nicht mehr erreichen wird. Auch wird es nicht gelingen, dass jedes Jahr 300 000 Privatwohnungen gebaut werden.

Was müsste getan werden, damit das gelingt?

Das ginge nur bei besseren Abschreibungsmöglichkeiten und einer höheren Förderung. Die Investoren gehen nur in den Wohnungsbau, wenn sie eine gewisse Renditechance sehen. Und die Politik müsste jetzt grundsätzlich einmal klar sagen, wohin die Reise am Bau gehen soll.

Was genau meinen Sie damit?

Beispielsweise, wie es bei der Energiewende weitergeht. Braucht jedes Haus in Zukunft eine Photovoltaikanlage auf dem Dach? Wie sieht es mit Solarthermie aus? Welches Heizsystem soll ich nehmen? Gas? Öl? Geothermie? Wärmepumpe? Was, wenn die Kommune eine Fernwärmeleitung verlegt? Besteht dann eine Verpflichtung, das Haus anzuschließen?

Aber ist Technologieoffenheit nicht sinnvoll?

Ja, schon. Aber die Politik sollte einen Rahmen vorgeben. Offenbar setzt die aktuelle Bundesregierung beispielsweise voll auf Wärmepumpen. Dabei ist völlig unklar, ob die Stromnetze einen massenhaften Betrieb von Wärmepumpen überhaupt aushalten – zumal dann, wenn jeder im Neubaugebiet parallel auch noch sein Elektroauto aufladen will. Auch muss klar sein, ob Gas- oder Ölheizungen in absehbarer Zeit verboten werden und falls ja, wann. Je früher die Politik für Klarheit sorgt, desto besser für alle, die am Bau beteiligt sind. Allerdings bleibt ein zentrales Problem damit immer noch ungelöst.

Welches?

Der Fachkräftebedarf im ausführenden Handwerk. Denn irgendjemand muss zum Beispiel die Wärmepumpen in die ganzen neuen Häuser einbauen. Die Politik muss ihren Teil dazu beitragen, damit diese Fachkräfte künftig verfügbar sind.

Interview: Sebastian Hölzle

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