„Es läuft deutlich besser als erwartet“

von Redaktion

INTERVIEW Die neuen Chefs der Messe München über Corona-Öffnungen und die Krise der Ispo

München – Die Coronajahre 2020 und 2021 waren für die Messe München schwer. Messen wurden abgesagt, hunderte Millionen Euro an Umsätzen brachen weg, das Unternehmen musste jedem zehnten Mitarbeiter kündigen. Harte Startbedingungen für Reinhard Pfeiffer und Stefan Rummel, die seit Juli an der Spitze der Messe München stehen. Doch ihre erste Jahresbilanz fällt gut aus.

Herr Pfeiffer, Herr Rummel, es liegen harte Jahre hinter der Messe München. Wie war 2022?

Pfeiffer: Die letzten beiden Jahre ging so gut wie gar nichts, wir schrieben Verluste. Seit den Corona-Öffnungen und vor allem seit dem Sommer läuft es aber deutlich besser als erwartet. Es kommen wieder zahlreiche Besucher aus der ganzen Welt zu uns. Insgesamt werden wir 2022 voraussichtlich über 400 Millionen Euro Umsatz und über 100 Millionen Euro Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen erwirtschaften. Damit knüpfen wir an die starken Jahre vor der Pandemie an.

Liegt das gute Ergebnis auch daran, dass Messen nachgeholt wurden?

Pfeiffer: Wir konnten zwei große Messen – die Drinktec und die Laser – ins Jahr 2022 schieben. Das kam zum starken Messeherbst mit der Baumaschinenmesse Bauma, der Immobilienmesse Expo Real, der Sportartikelmesse Ispo und der Technologiemesse Electronica hinzu.

2022 waren auf ihrem Gelände Konzerte, etwa von Helene Fischer. Sollen die wieder stattfinden?

Rummel: Auch im Jahr 2023 wird es wieder Konzerte bei uns geben. Die sind aber nicht unser Kerngeschäft.

Klar, das sind die Messen. Welche sind ein Erfolg? Und welche nicht?

Rummel: Technologie- und Investitionsgüter-Messen laufen sehr stark. Hier war die Nachfrage größer als gehofft. Das zeigt: Dort, wo die Produkte komplex und innovativ sind, wollen sich die Leute persönlich austauschen. Das war bei der Bauma, der Electronica oder der Umwelt-Messe IFAT so. Konsumgütermessen wie die Ispo sind dagegen schwieriger geworden.

Der Ispo blieben 2022 viele Aussteller fern. Weshalb?

Rummel: Die Wintersportindustrie leidet unter Corona und der hohen Inflation. Dazu kommt ein strukturelles Problem: Die Hersteller verkaufen immer öfter über das Internet direkt an die Kunden, deshalb lockert sich die Beziehung zwischen Marke und Händler immer mehr. Das war schon vor Corona der Fall und wurde durch die Pandemie beschleunigt.

Wie sieht es insgesamt aus? Kommen alle Aussteller und Besucher wieder?

Rummel: Wir haben ein Viertel weniger Aussteller und Besucher als vor der Pandemie. Das liegt auch daran, dass wir im Moment fast keine Besucher und Aussteller aus Russland und China kommen. Damit sind wir dennoch über dem Branchenschnitt, wo der Besucherrückgang bei einem Drittel liegt. Und wir haben einen weiteren Effekt festgestellt: Besonders aus Deutschland reisen die Firmen mit kleineren Teams an. Es sind aber die Entscheider, die zu uns kommen. Deshalb sind die Aussteller trotz reduzierter Besucherzahl zufrieden.

Zusammen mit dem Autoverband VDA veranstalten Sie 2023 wieder die IAA. Mit der Stadt gibt es Streit, weil Autos vor der Feldherrnhalle oder der Pinakothek gezeigt werden sollen. Werden Sie genug Freiflächen bekommen?

Pfeiffer: Insgesamt stehen für die IAA Mobility und den Open Space im nächsten Jahr genauso viel Fläche zur Verfügung wie letztes Mal. Dass es Diskussionen über einzelne Flächen gibt, gehört dazu.

Sie veranstalten auch in China und Indien Messen. Noch herrscht in China Lockdown. Überdenken Sie Ihr Engagement dort?

Pfeiffer: Nein, China bleibt für uns weiter Fokusland. Über viele Jahre haben wir dort unsere starken Marken aufgebaut und können bei Lockerungen jederzeit wieder Messen veranstalten. Trotzdem wollen wir unser Engagement in anderen Märkten ausbauen und beobachten daher die Entwicklungen auf unseren Messen in München. So sehen wir beispielsweise, dass mehr und mehr Fachbesucher aus den USA zu uns kommen.

Geht dabei nicht der Fokus auf den Heimatstandort München verloren?

Pfeiffer: Im Gegenteil. Wenn wir stärker in einem neuen Land aktiv werden, kommen erfahrungsgemäß auch mehr Aussteller und Besucher von dort zu unseren Messen nach München. Die Internationalisierung kannibalisiert den Standort München also nicht, sie befruchtet ihn sogar.

2020 mussten Sie viele Jobs abbauen. Jetzt hat sich die Lage gebessert. Stellen Sie wieder ein?

Rummel: Ja, wir stellen gezielt ein und planen ein Drittel der Jobs, die wir gestrichen hatten, neu zu besetzen.

Herr Rummel, was war Ihr Highlight im ersten Jahr als Co-Messechef?

Rummel: Als sich nach drei Jahren Vorbereitung und der Bewältigung der Pandemie am ersten Tag der Bauma um neun Uhr morgens die Drehkreuze gedreht haben und klar war, das alles reibungslos läuft. Das ganze Team war in dem Moment erschöpft, aber sehr glücklich.

Herr Pfeiffer, nachdem 2022 für Sie beide sehr erfolgreich war: Wird 2023 ähnlich gut?

Pfeiffer:. Finanziell wird 2023 nicht so stark wie 2022, das liegt vor allem am Messekalender. Der sieht turnusgemäß für 2023 weniger große Leitmessen wie die Bauma vor. Und natürlich wird es noch dauern, bis das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wird. Wir peilen 2023 und 2024 trotzdem ein positives Messergebnis an, dann aber eher im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.

Interview: Andreas Höß

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