München – Nachdem die deutsche Wirtschaft trotz Ukraine-Krieg und Energiekrise bisher an einem Absturz vorbeigeschrammt ist, dürfte sie nun in die Rezession fallen. Davor warnt die BayernLB, die am Donnerstag in München ihren Konjunkturausblick für 2023 vorgestellt hat.
Konkret erwartet die Landesbank, dass die deutsche Wirtschaft um 1,9 Prozent schrumpfen wird. Das wäre ein härterer Einbruch, als ihn viele andere Experten vorhersagen. So gingen die Wirtschaftsweisen in ihrem Herbstgutachten für kommendes Jahr von einem moderaten Rückgang um 0,2 Prozent aus, die EU-Kommission rechnet für die deutsche Wirtschaft bisher mit einem Minus von 0,6 Prozent.
Laut BayernLB wirken gleich mehrere Bremsfaktoren. Ein großes Problem bleibe die Teuerung. „Im Frühjahr wird die Inflation in Deutschland noch zweistellig sein und auch danach wird sie nur langsam sinken“, glaubt Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB. Er sieht die Inflationsrate im Jahresschnitt bei 8,6 Prozent und damit sogar höher als 2022. Das verringere nicht nur die Kaufkraft der Bundesbürger, sondern zwinge die Europäische Zentralbank zu weiteren Zinserhöhungen und einer restriktiveren Geldpolitik, die sich in einer strikteren Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen niederschlagen werde. „Das alles wird die Wirtschaft ausbremsen“, so Michels.
Anders als in früheren Krisen werde auch der Export nicht für eine schnelle Erholung sorgen, weil die strengen Corona-Lockdowns in China weiter auf der Wirtschaft des wichtigen Handelspartners lasten. „Obwohl sich dort ein kleiner Kurswechsel abzeichnet, haben wir Zweifel, dass es schnelle Öffnungen geben wird“, erklärt Michels. Mehr Hoffnung mache die USA, wo der Höhepunkt der Inflation bereits überschritten sei. Dort könnten nicht zuletzt massive Investitionen in Erneuerbare Energien die Konjunktur im Jahresverlauf wieder beleben.
Daneben hat der Volkswirt weitere halbwegs beruhigende Prognosen im Gepäck. Die Löhne könnten kräftig steigen. Außerdem rechnet er nicht mit einer Kündigungswelle. „Wegen dem Fachkräftemangel werden die Unternehmen versuchen, ihre Mitarbeiter trotz Rezession und schleppender Erholung zu halten.“ Das werde die Immobilienpreise stützen, weil wegen dem robusten Arbeitsmarkt kaum Zwangsversteigerungen drohen.
Auch für Aktionäre sind die Perspektiven aus Jürgen Michels Sicht gar nicht schlecht. Weil die Notenbanken den Finanzmärkten Liquidität entziehen, dürfte es an den Börsen zwar sehr turbulent werden, so Michels. „Im Laufe des Jahres sollte wirtschaftlich aber das Schlimmste überstanden sein und sich erste Silberstreifen am Horizont abzeichnen.“ Den deutschen Leitindex Dax sieht er in zwölf Monaten deshalb bei 15 500 Punkten und damit zumindest wieder in der Nähe seines Hochs aus dem Herbst 2021. ANDREAS HÖSS