Traum vom Sion droht zu platzen

von Redaktion

München – Dem Elektroautopionier Sono Motors geht wieder einmal das Geld aus. Bis Ende Januar müssen 94,5 Millionen Euro her. Ein schwieriges Unterfangen.

Gestern kamen die Mitarbeiter von Sono Motors in München zusammen. Aber es könnte auch eine Trauergemeinde sein. „Wir haben versagt“, sagt Laurin Hahn und blickt in versteinerte Mienen. Er ist Sono-Mitgründer und erklärt seinen Leuten gerade, dass dem Start-up das Geld ausgegangen ist. Der Traum eines Solarzellenautos, das sich unter der Sonne automatisch und kostenfrei lädt, droht endgültig zu platzen. „Vielleicht ist das das Ende des Projekts Sion, das ist hart“, stellt Hahn klar. Dann müsse man mit der Solartechnologie allein weitermachen, was nicht nur gut zwei Drittel der Belegschaft kosten würde, sondern auch den Plan, mit einem grünen Solarauto zur Rettung des Weltklimas beizutragen.

Hahn und Mitgründer Jona Christians üben Selbstkritik. „Wir haben Fehler gemacht und die Komplexität unterschätzt“, räumt Hahn ein. Immer wieder kam Sand ins Getriebe. 2020 und damit bereits vier Jahre nach Sono-Gründung sollte nach ursprünglichen Plänen der erste Sion vom Band rollen. „Jetzt ist es Ende 2022 und wir haben die Produktion immer noch nicht gestartet“, sagt Hahn. 2024 sollte es jetzt endlich so weit sein. Aber dazu braucht es noch einmal weitere knapp 100 Millionen Euro. Die sollen nun unter enormem Zeitdruck von potenziellen Sion-Käufern eingesammelt werden, was für das unübliche Start-up kein Novum wäre. „Wir waren schon in Stürmen davor“, betont Christians. Er spielt damit vor allem auf eine Crowdfunding-Kampagne vor drei Jahren um die gleiche Jahreszeit kurz vor Weihnachten an. Damals mussten binnen weniger Wochen 50 Millionen Euro in die leeren Kassen kommen, Diesmal sollen sich 3500 potenzielle Sion-Käufer bereit erklären, den kompletten Kaufpreis von 27 000 Euro vorab zu überweisen. Rechnerisch macht das in der Summe 94,5 Millionen Euro, die bis Ende Januar 2023 aufgetrieben sein müssen.

„Berater sagen uns, entlasst 70 Prozent eurer Leute, restrukturiert die Firma, vergesst den Sion, vergesst euere Community, zahlt der das Geld zurück und konzentriert euch auf das, was Geld macht“, schildert Hahn die Lage. Dazu muss man wissen, dass rund 21 000 Sion-Interessenten ihr noch in der Entwicklung steckendes Solarzellenauto bereits mit im Schnitt 2000 Euro vorfinanziert haben. 43 000 Vorbestellungen gibt es insgesamt.

Community nennt Sono die eigenen Kunden, weil der Wagen mit eigener App auf Car–sharing ausgelegt ist. Er kann nicht nur Strom laden, sondern auch wieder abgeben, was intelligente Stromnetze der nahen Zukunft stabilisieren helfen würde. Der jetzige finanzielle Engpass ist weder der erste noch der zweite.

Vor Jahresfrist hat Sono sich an die US-Börse Nasdaq gerettet. Das muss man so formulieren. Denn ohne dadurch eingesammeltes Geld wäre das Start-up damals insolvent geworden.

Jetzt droht nicht die völlige Pleite. Denn die Solarzellentechnologie des Sion wird mittlerweile in ersten Stadtbussen, Lastern oder Kühlfahrzeugen eingesetzt, um dort Reichweiten zu verlängern. Die Technologie spart auch Sprit bei Verbrennern. Für dieses zweite Standbein von Sono gibt es bereits zahlende Kunden und Umsätze. Aber Hauptzweck des Start-ups war immer ein Solarzellenauto wie der Sion. THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

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