So gefährlich ist der Graue Kapitalmarkt

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Grau und Schwarz liegen nicht nur auf der Farbskala nahe beieinander. „Die schwarzen Schafe sind in der Überzahl, das ist ein systemisches Problem am Grauen Kapitalmarkt“, sagt Stefan Loipfinger. Er ist als Ex-Fondsanalyst ein Anlageexperte und hat für die Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) gerade eine 331-seitige Studie zu Graumarktprodukten gemacht. Das sind legale, aber relativ schwach regulierte und mäßig beaufsichtigte Finanzprodukte, die oft mit hohen Renditen locken, entgegen vieler Versprechungen aber sehr riskant sind.

Am Ende stehen große Anlegerpleiten. „Wir sehen, dass das nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist“, warnt Vzbv-Expertin Dorothea Mohn. Die Studie erklärt, warum das so ist. Untersucht hat Loipfinger die zehn größten Anbieter grauer Vermögensanlagen zwischen 2015 und 2020, die mit 4,3 Milliarden Euro Anlagevolumen gut zwei Drittel des gesamten Graumarkts in der Zeit umfassen. Mit den Schiffscontainerfirmen P&R sowie Magellan und UDI sind drei mittlerweile ganz oder in Teilen insolvent. Anleger haben dabei Milliarden verloren.

Loipfinger erkennt wiederkehrende Muster und ein System. Da seien auf der einen Seite im Pleitefall bis zum Totalverlust haftende Anleger, die ihr Geld per Nachrangdarlehen oder ähnlichen Konstrukten investieren. Das treffe auf weitreichendes Fehlen echter Kontrolle. Graumarktprodukte unterliegen zwar dem Vermögensanlagengesetz. In dessen Rahmen prüft die Finanzaufsicht Bafin aber nur formale Kriterien von Verkaufsprospekten. Ob eine Anlage unrealistisch kalkuliert ist und nicht zu Gewinnen führen kann, ist nicht Teil der Prüfung. Das Gesetz sei nach Anlegerpleiten im Grundsatz zwar verschärft worden, räumt Loipfinger ein. Dann habe die Finanzlobby aber dafür gesorgt, dass ein hartes Gesetz durch weiche Formulierungen wieder Schlupflöcher bekommt. „Man darf aber keine Schlupflöcher zulassen“, betont der Experte.

Für Normalanleger sei es sehr schwer, die Risiken von Graumarktprodukten mit ihren oft langen Laufzeiten richtig einzuschätzen. Sie werden nicht wie Aktien oder Anleihen reguliert gehandelt. Das macht sie zum einen faktisch unverkäuflich. Zum anderen gibt es keine Marktpreise, die Rückschlüsse auf das Risikopotenzial zulassen. Vor allem aber würden Graumarktprodukte oft Sicherheit in Form von Sachwerten versprechen, die nicht existieren, warnt Loipfinger.

Das funktioniert so: Anlegergeld wird in Zweckgesellschaften gesammelt, die das Kapital an eigentlich wirtschaftlich handelnde Projektgesellschaften weiterleiten. Erst die erwerben dann Sachwerte wie Schiffe, Container oder Immobilien. Anleger finanzieren damit oft nur eine leere Unternehmenshülle in Form der Zweckgesellschaft und haben kein Eigentum an den in den Projektgesellschaften ruhenden Sachwerten, obwohl genau dieses angebliche Eigentum bei der Vermarktung der riskanten Produkte regelmäßig im Fokus steht.

Erschwerend hinzu kommen extrem niedrige Eigenkapitalquoten der Projektgesellschaften von teils unter 0,1 Prozent. Im Pleitefall werden Anleger über ihr Nachrangdarlehen an die Zweckgesellschaft zu oft vollständig Geschädigten. Sollten die Geschäfte einmal unerwartet gut laufen, partizipieren Anleger daran aber in der Regel nicht, weil ihre Rendite auf einen festen Darlehenszins fixiert ist. Potenzielle Übergewinne werden auf diese Weise durch die Initiatoren der Anlage privatisiert, Verluste im Insolvenzfall aber über die Anlegerschaft sozialisiert.

„Die begrenzten Chancen der Anleger stehen häufig in keinem Verhältnis zu den bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals reichenden Risiken“, urteilt Loipfinger. Verbraucherschützer fordern nun einen radikalen Schnitt. „Die Politik muss den Verkauf von unregulierten und damit risikoreichen Angeboten verbieten“, fordert Mohn.

Artikel 2 von 11