Verschnaufpause am Gasmarkt

von Redaktion

VON MATTHIAS SCHNEIDER

Die Gaspreise sind gerade wieder auf Talfahrt – doch Experten sind misstrauisch. Auch die Verbraucherpreise reagieren nur träge. 2023 dürfte kaum Entspannung bringen.

Gas

Die Gaspreise haben wieder einen spektakulären Einbruch erlebt: Seit vergangener Woche fielen die Preise für das kommende Jahr um über 30 Prozent auf gut 100 Euro pro Megawattstunde, so viel wie zuletzt im sommerlich warmen Oktober. Für Thomas Peiß, Sektoranalyst für Energie bei der Bayern LB, liegt das unter anderem an der Eröffnung des ersten deutschen LNG-Terminals am Wochenende: „Wir sehen, dass die Märkte stark auf jede Veränderung reagieren.“

Deshalb sei der Preisfall kein Grund zur Erleichterung: „Nicht nur das Preisniveau ist höher, sondern auch die Schwankungen. Wenn jetzt der Januar und der Februar wieder kälter werden, dürften die Preise wieder anziehen.“

Grundsätzlich sieht Peiß keine Anzeichen dafür, dass sich die Lage im kommenden Jahr entspannt: „Weil wir kein russisches Pipeline-Gas mehr bekommen, müssen wir anderweitig Gas einkaufen. Unser größter Konkurrent am LNG-Markt ist dabei Ostasien, deshalb hängen wir immer irgendwo an der Nachfrage dort.“ Weil europäische Händler Aufschläge zahlen müssen, war Gas hier monatelang teurer, als am ostasiatischen Markt, mit den großen Käufern Japan, China und Südkorea. Bis zuletzt, wie Ciaran Roe, Chefanalyst für LNG bei S&P Global, unserer Zeitung sagte: „Das erste Mal seit Kriegsbeginn waren die Frontmonats-Kontrakte am japanisch-koreanischen Markt teurer als in Europa.“

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Druck nachlässt, sondern nur, dass der Bedarf in Asien kurzfristig höher ist: „Wir sehen aufgrund der winterlichen Bedingungen und dem möglichen Ende der Null-Covid-Politik mehr Käufe in China.“ Mittelfristig ändert sich jedoch nichts an den Verhältnissen: „Für 2023 wird Gas in Ostasien – bis auf Februar – aktuell immer zehn bis 14 Euro günstiger gehandelt als in Europa“, so der S&P-Experte.

Eine Befürchtung, die BayernLB-Experte Thomas Peiß teilt: „Wenn die chinesische Wirtschaft wieder hochfährt, dürfte das die LNG-Weltmarktpreise am Spotmarkt wieder steigen lassen.“ Gleichzeitig sei in nächster Zeit nicht mehr Gas zu erwarten: „Die USA investieren viel, sind aber frühestens in zwei Jahren so weit, Katar braucht eher noch länger.“ Das mache es nicht leichter, die Speicher im Sommer ohne russisches Gas zu füllen: „Der nächste Winter wird härter“, warnt Peiß. Deshalb helfe jetzt nur: Gas sparen, wo es geht.

Strom

An der Strombörse zeigt sich die starke Koppelung an die Gaspreise: Die Preise fielen in nicht einmal zwei Wochen fast 50 Prozent auf knapp 270 Euro pro Megawattstunde.

Für Mathias Mier, Analyst beim Münchner Ifo-Institut, ist hier ein satter Risikoaufschlag geschmolzen: „Es herrscht große Unsicherheit auf dem Markt, es könnten bald genauso gut 450 Euro sein, aber auch 200 wären möglich.“ Hysterische Ausschläge, wie es sie im Sommer gab, sieht Mier aber nicht: „Zu den günstigeren Preisen werden jetzt mehr Verträge abgeschlossen – das heißt, dass nicht mehr zu jedem Preis gekauft wird, das beruhigt den Markt.“

Das Fazit für Verbraucher zieht Lundquist Neubauer, Experte des Vergleichsportals Verivox: „Wegen der Unsicherheit für das kommende Jahr spricht nichts dagegen, jetzt einen verhältnismäßig günstigen Tarif abzuschließen.“

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