Wasserstoff: „Wir brauchen einen Plan“

von Redaktion

VON MARCO HADEM UND CHRISTOF RÜHRMAIR

München – Schottland, Norwegen, Kroatien, Italien, die USA und die Arabische Halbinsel: In Sachen Wasserstoff legt die Staatsregierung spätestens seit dem Krieg in der Ukraine nicht nur eine große Reisefreudigkeit an den Tag. „Vor ein, zwei Jahren haben noch viele darüber gelächelt“, sagt Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges mit all den Folgen für die Energieversorgung habe sich das Blatt aber gewendet, so Aiwanger. „Da ist eine große Dynamik reingekommen.“

Doch wie sieht die Strategie dahinter eigentlich aus? In Bayern gleicht die Landkarte der bestehenden und geplanten Wasserstoffprojekte derzeit einem Flickenteppich. Auch die im September in Wunsiedel eingeweihte größte Anlage für grünen Wasserstoff im Freistaat ist relativ klein: 8,75 Megawatt Leistung hat die Anlage, die Siemens mit einem Elektrolyseur von Siemens Energy gebaut hat. Das entspricht ein paar Windrädern. Doch ab kommendem Jahr sollen 50 weitere regionale Elektrolyse-Anlagen mit Leistungen von mindestens einem Megawatt gebaut werden, mit Zuschüssen von 150 Millionen Euro.

„Im Endausbau steht eine globale Wasserstoffwirtschaft, bei der jedes Land eine gewisse Rolle spielt. Ob als Erzeuger von Wasserstoff, als Techniklieferant und Nutzer wie Deutschland bis zu den reinen Anwendern und Nutzern“, sagt Aiwanger. Bayern fahre mehrgleisig – zum einen gebe es den Versuch, rund um den Globus Partner zu suchen, so Aiwanger. „Wir wollen die ganze Welt Wasserstoff-verrückt machen, vom Oman über Schottland bis nach Amerika.“ In den meisten Fällen werde überall dort deutsche Technik gebraucht, im Gegenzug suche Bayern Lieferanten von „grünem Wasserstoff“.

Daneben gibt es besagten Flickenteppich von regionalen Wasserstoff-Projekten. „Dieser kleinteilige Ansatz ist derzeit durchaus sinnvoll“, sagt Andreas Schmuderer, der bei Siemens Smart Infra-structur den Bereich Energy Performance Services leitet. So würden Technologien genutzt, die es schon gebe, die Verteilnetze entlastet und der Wasserstoff nahe an den Verbraucher gebracht. Die regionalen Projekte ersparten auch den noch schwierigen Transport von Wasserstoff.

Zudem gibt es im Freistaat weitere Projekte: Das Wasserstofftechnik-Anwendungszentrum in Pfeffenhausen soll Unternehmen die Möglichkeit geben, Anwendungen zu testen und zu entwickeln. Es wird vom Bund mit 72,5 und vom Freistaat mit 30 Millionen Euro gefördert. 70 Millionen Euro steckt das Land in den Aufbau von Wasserstofftankstellen, weitere 90 in die Wasserstoffforschung im Rahmen des Energieforschungsprogramms.

Noch mehr Geld fließt für eine ganze Reihe von „IPCEIs“. Das steht für Important Project of Common European Interest und beschreibt wichtige Projekte von europäischem Interesse. 250 Millionen kommen vom Freistaat, gut das Doppelte vom Bund. Zu den bedachten Firmen gehören etwa BMW, BayWa, Bosch und Wacker Chemie.

Auch für ein Land wie Bayern sind die Möglichkeiten begrenzt, letztlich braucht es einen bundesweiten Ansatz. Dieser wurde 2020 in der nationalen Wasserstoffstrategie hinterlegt. Für Aiwanger reicht das nicht aus. Der Bund müsse Länder, Industrie und Investoren mehr einbinden: „Hier passiert viel zu wenig, alle Beteiligten reden viel zu wenig miteinander.“

2023 übernimmt Bayern den Vorsitz in der Wirtschaftsministerkonferenz – Aiwanger will hier das Thema ganz oben auf die Agenda setzen: „Wir müssen ein Gesamtkonzept entwickeln, einen gemeinsamen Plan machen, wie wir schnellstmöglich zum Ziel kommen.“ Aus der Sicht Aiwangers zeigt sich das Problem schon beim Ausbau der Verteilnetze. Die staatliche Wasserstoffnetzgesellschaft sei zum Scheitern verurteilt. Dadurch werde der Ausbau unnötig verzögert. Die Aufgabe müsse den Betreibern der Gasnetze überlassen werden. So hätten etwa die Fernleitungsnetzbetreiber Gascade, Ontras und terranets bw den Bau einer Pipeline von der Ostsee bis Thüringen bis 2025 angekündigt. Aiwanger hofft nun, dass so auch Bayern schnell angebunden werde. Sollte es helfen, würde er auch eine Pipeline von Bayern nach Thüringen bauen.

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