München/Berlin – Klein- und Kleinstwagen brauchen weniger Platz, könnten den städtischen Autoverkehr effizienter machen und die Belastung des Klimas verringern. Manche Hersteller halten an dem Segment fest – andere setzen auf gewinnträchtigere Modelle. Offiziell sieht die deutsche Branchea weiter Chancen auch bei Minis und Kleinen, vor allem mit E-Motor. Fachleute sprechen aber von einem ausgedünnten Angebot, und das eigene Fahrzeug könnte zum Luxusprodukt werden. Die Ursachen und möglichen Folgen des Trends sind vielfältig.
Zulassungszahlen
In Deutschland waren die Neuzulassungen nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamts im Dezember außer bei Minivans und Wohnmobilen nur bei Kleinwagen rückläufig. Sie nahmen verglichen mit dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent ab. Der Anteil lag bei 9,6 Prozent. Beliebtestes Modell war der Opel Corsa. Den Kleinstwagen oder Minis, wo der Fiat 500 führte, gelang ein Plus von 15,7 Prozent – aber bei anteilig nur 7,1 Prozent aller neu auf die Straße gekommenen Pkw. Die boomenden SUVs erzielten 34 Prozent. Betrachtet man die Sparten Klein- und Kleinstwagen gemeinsam, wird die langjährige Tendenz deutlich: Zwischen 2012 und 2022 sank der Gesamtanteil von fast 24 auf knapp über 18 Prozent.
Gewinnmargen
Wer ein Hochpreis-Auto teuer verkaufen kann, streicht gegenüber kleineren Autos meist mehr Gewinn ein. Denn die Produktionskosten steigen – bezogen auf die Kleinen – nicht im selben Maß wie der Endpreis. Diese betriebswirtschaftliche Regel ist simpel. Sie könnte aber dazu führen, dass das Angebot an Stadtflitzern und Kurzstreckenwagen weiter geschmälert wird, weil große Autos renditestärker sind. Die Gewinnmargen sind bei vielen marktreifen SUVs, Limousinen oder Oberklassemodellen attraktiver.
Mit den Kleinen verdienen Hersteller nur dann gut, wenn diese sehr hohe Absatzzahlen erreichen. Doch die Zahl angebotener Baureihen schrumpft. Bei den Minis halbierte sie sich auf dem deutschen Markt binnen eines Jahrzehnts von 24 auf 12. Autos wie der Ford Ka, Opel Adam oder Citroën C1 liefen aus. Das trifft auch diejenigen Kleistwagen-Baureihen, die mit Verbrennern unterwegs sind.
Kompetenz
Das Fachblatt „Auto Straßenverkehr“ weist darauf hin, dass abgesehen von VW nun alle anderen Mini-Reihen etwa mit Fiat, Renault, Hyundai/Kia, Toyota oder Suzuki aus dem Ausland kommen. Zuletzt war auch der VW Up nicht mehr als Verbrenner zu bestellen. Im Konfigurator erschien nur noch dessen E-Variante. Die Wartezeiten waren wegen der Chipkrise aber so lang geworden, dass der kleinste Stromer zeitweise aus dem Programm fiel. Auch andere Anbieter tun sich schwer. Bei BMW kam der kompakte E-Pionier i3 schon 2013 auf den Markt, wurde aber wenig nachgefragt. Erst Anfang 2020 legte der Konzern mit dem elektrischen Mini und vor wenigen Monaten mit dem iX1 nach – einem Klein-SUV. Bei Renault sieht Chef Luca de Meo für den Twingo keine direkte Fortsetzung. Und Ford Deutschland stellt die Produktion des Fiesta in Köln vorzeitig ein. „Die SUVisierung ist weltweit erkennbar“, sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. „In der Oberklasse bleibt der Verkaufstrend stark – die Marktanteile dürften sich weiter von unten nach oben verschieben.“
Wartezeiten
Die enorme Verteuerung von Energie und Metallrohstoffen seit Beginn des Ukraine-Kriegs und von Elektronik-Bauteilen seit der Corona-Krise ist ein Teil dieser Geschichte. „Die üblichen Preiserhöhungen der Hersteller erfolgten zuletzt in kürzeren Intervallen und in höherem Ausmaß“, sagt Benedikt Maier vom Institut für Automobilwirtschaft. Das geringere Angebot habe die Kosten für Einstiegsmodelle anziehen lassen. Dabei richten sich die Kleinen gerade an Haushalte, die nicht viel auf der hohen Kante haben, Nutzer von Zweitfahrzeugen oder Liefer- und Pflegedienste. Für ihre Dickschiffe reservierte die Branche hingegen oft und gern die erhältlichen Chipkontingente. „Deshalb kann es bei einzelnen Modellen zu einer Verlängerung der Lieferzeiten kommen“, heißt es beim VDA. Maier indes glaubt, dass für zentrale Batterie-Ressourcen wie Lithium und Kobalt einstweilen wenig Entspannung zu erwarten ist. Dabei schlage „der relative Kostenblock einer Batterie bei Kleinwagen stärker zu Buche als in der Oberklasse“.
Preise
Bei einigen VW-Händlern sorgt man sich um die künftigen Verkäufe. Eine hohe Führungskraft des zweitgrößten Autokonzerns der Welt sagte im Herbst: „Porsche, Audi oder Bentley wurden so bedient, wie sie es gebraucht haben. Dafür haben wir ein paar (VW) Polos, (Skoda) Fabias und (Seat) Ibizas weniger gebaut.“ Die Chip-Verfügbarkeit habe sich inzwischen aber verbessert. 2025 soll ein E-Kleinwagen in Polo-Größe (ID.2) bei 25 000 Euro starten. „Wenn es so bleibt, lösen sich Polo und ID.2 nahtlos ab“, gibt man sich im Moment zuversichtlich.
Bis ein neu konzipiertes Massenmodell profitabel wird, vergehen oft Jahre. Zudem sind neue Technologien anfangs im oberen Segment wettbewerbsfähiger, solange sie noch relativ teuer sind. Für den späteren Durchbruch sind Skaleneffekte wichtig – die Fähigkeit, über schiere Menge die Kosten so weit zu drücken, dass auch niedrigere Verkaufspreise Gewinn abwerfen. Der VDA erklärt: „Durch Skaleneffekte werden die Modelle in Zukunft günstiger werden.“ Maier ist nicht so überzeugt: „Ich gehe nicht davon aus, dass die etablierten deutschen Hersteller mittelfristig aktiv das Klein(st)wagen-Segment erschließen wollen oder gar mit Budget Car-Konzepten aufschlagen werden.“
Klima
Sparsamere Verbrenner stoßen weniger CO2 aus. Bei kleinen E-Modellen soll der geringere Ressourcenverbrauch die Klimalast drücken. Voraussetzung ist, dass die Batterie mit Ökostrom geladen wird – und beim Ausbau der erneuerbaren Energien drängen Klimaschützer die Bundesregierung zu deutlich mehr Tempo. Viele kritisierten in der Chipkrise, kleine E-Autos hätten Nachteile gegenüber großen. Volkswagens Pläne, die 2020 gestartete ID-Reihe nach unten auszuweiten, lobte selbst die sonst skeptische Umweltschutzorganisation Greenpeace. Warum ausgerechnet der VW E-Up und auch kleine Stromer anderer Hersteller vorher nicht mit Priorität bedacht werden, irritierte Verkehrsexperte Benjamin Stephan aber. Andererseits betonen die Unternehmen, dass die Verbrenner-Abgasnorm Euro-7 die Kosten gerade kleiner Modelle erhöhen und diese unattraktiver machen dürfte. „Der Preisanstieg, der aus den angeforderten Weiterentwicklungen entsteht, wird insbesondere Kleinwagen betreffen“, warnt der VDA. Allzu ehrgeizig gemeinte Reinigungstechnik falle bei den Kleinen relativ gesehen stärker ins Gewicht.