München – Hohe Steuern, zu viel Regulierung: Für Familienunternehmen verliert der Standort Deutschland zunehmend an Attraktivität, im Vergleich mit 20 anderen Industrienationen ist Deutschland auf Rang 18 gerutscht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW in Mannheim, Auftraggeber der Studie ist die Stiftung Familienunternehmen, sie hat das Papier gestern in München veröffentlicht.
Gegenüber der Vergleichsrechnung für das Jahr 2020 hat sich Deutschland demnach um vier Plätze verschlechtert. „Allerdings liegen die Länder auf den Rängen 14 bis 19 in ihren Punktwerten sehr nahe beieinander, sodass der deutliche Verlust an Rangplätzen nicht überbewertet werden sollte“, schreiben die Studienautoren rund um ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. „Insgesamt zeichnet der Länderindex Familienunternehmen jedoch ein ernüchterndes Bild des deutschen Standorts“, heißt es weiter. Auch abseits des Themas Energie ließen sich keine Standortfaktoren finden, bei denen eine klare Aufwärtsbewegung zu verzeichnen wäre.
Fazit der Stiftung Familienunternehmen: „Während andere Staaten in Infrastruktur investieren oder ihr Steuersystem reformieren, kommt Deutschland nicht voran.“
Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, kritisierte: „Der Industriestandort Deutschland hat dramatisch an Qualität verloren.“ Gerade die hohen Energiepreise müssten Anreiz bieten, die übrigen Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern. „Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen – das ist nicht das Feld, in das wir gehören.“
Der Länderindex selbst setzt sich aus sechs Teilindizes zusammen. Analysiert werden die Themen Steuern, Arbeit, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur/Institutionen sowie das Thema Energie. Die entsprechenden Teilindizes fließen mit einer Gewichtung zwischen 15 und 20 Prozent in den Länderindex ein. Für Deutschland hat das ZEW einen Wert von knapp 48 Punkten errechnet, die USA und Kanada schaffen über 62 Zähler (siehe Tabelle).
Beispiel Regulierung: „Für Familienunternehmen sind Regulierungsbarrieren von besonderer Bedeutung, weil sie durch ihre spezielle Eigentümerstruktur zumeist kurze Entscheidungswege aufweisen und schnell auf veränderte Umweltbedingungen re-agieren können“, begründen die Ökonomen ihr Vorgehen. Betrachtet wird in der Studie damit ausschließlich die Perspektive der betroffenen Unternehmen.
Eindrücklich zeigt das auch die Berechnungsmethode des Teilindikators „Regulierung“, er setzt sich wiederum zusammen aus fünf unterschiedlichen Teilbereichen. Einer davon: Die betriebliche Mitbestimmung in Unternehmen, die je nach Land unterschiedlich geregelt ist. Hier fließen etwa Kennzahlen zur Größe von Betriebsräten und zu Freistellungsverpflichtungen von Arbeitnehmervertretern in die Berechnung ein. Ist die betriebliche Mitbestimmung stark reguliert, wirkt sich das negativ auf den Index aus.
Deutschland belegt im Bereich „Betriebliche Mitbestimmung“ den vorletzten Platz, die ersten Ränge belegen Kanada und die USA. Da Deutschland in den anderen Teilbereichen Tarifrecht, Außenhandel, Geschäftsgründung und Regulierungen im Geschäftsbetrieb ebenfalls einen der unteren Ränge belegt, schneidet Deutschland im Bereich Regulierung entsprechend ab.
Die Studienautoren beschreiben aber einen Ausweg: „Deutschland sollte die gegenwärtige Krise als Chance zum Abbau lähmender Regulierungslasten begreifen.“ Die punktuellen Erfolge beim sehr schnellen Aufbau neuer Energieinfrastruktur – etwa Flüssiggas – dürften keine Ausnahmefälle bleiben. „Sie sollten in Zukunft einen Modellcharakter für Genehmigungsprozesse auch auf anderen Gebieten erhalten.“
Zumal Deutschland auch etwas zu bieten hat, wie die ZEW-Ökonomen schreiben: „Der mit Abstand größte Aktivposten des deutschen Standorts ist der Bereich der Finanzierung, in dem Deutschland die Spitzenposition einnimmt.“ Positiv auf den Index wirkt sich etwa die vergleichsweise geringe Verschuldung der öffentlichen und privaten Haushalte aus.