Service wird zum Luxus

von Redaktion

VON JAN PETERMANN

München – Man kann es als ultimativen Weg in die Servicewüste sehen – oder als Stärkung des aktiven Konsumenten. Bei manchen Handelsketten scheint der Kunde fast schon das Gefühl zu bekommen, die selbst gescannte Ware am besten gleich noch fürs Lager nachbestellen zu sollen. Und wie lange, so könnte man augenzwinkernd fragen, dauert es, bis der Burger im Fast-Food-Lokal nicht nur per Touchscreen gewählt, sondern auch eigenhändig gebraten werden muss?

„Bitte selber machen!“ auf allen Kanälen: Was sich in der modernen Konsumwelt teils kurios, teils befremdlich ausnehmen mag, hat einen ernsten Hintergrund. Denn neben gezielter Ansprache von Verbrauchern, die für Niedrigpreise durchaus alle Handgriffe ohne menschliche Hilfe zu erledigen bereit sind, verschärfen der Kostendruck und Mangel an Fachkräften den Trend. Längst geht es nicht mehr nur um klassische Selbstbedienung am Regal, nicht mehr nur um Funktionen wie den Eigen-Check-in am Flughafen oder im Zug via Automat oder App. Besonders im Einzelhandel ist zu spüren, dass Kunden möglichst viel Arbeit übernehmen sollen. Ob Lebensmittel, Sportartikel oder Möbel: Self-Check-out-Kassen zum Selbstabrechnen und Selbsteinpacken sind in immer mehr Geschäften zu finden. Wer eine der meist wenigen normalen Kassen vorzieht oder spezielle Fragen hat, muss oft längere Wartezeiten hinnehmen. Es laufen bereits Tests mit komplett „autonomen“ Geschäften, in denen der Kunde alles ausschließlich mit der EC- oder Kreditkarte steuern kann – inklusive Zugang rund um die Uhr. Edeka beispielsweise betont, in diesen „Smart Boxes“ solle ebenso „das Einkaufserlebnis im Fokus stehen“. Ob Käufer mit Beratungsbedarf oder geringer Technikneigung das auch so sehen?

Der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein ist da skeptisch. Die Entwicklung sei aber kaum aufzuhalten und aus Branchensicht im Kern nachvollziehbar. Ein Hauptgrund sei der Wegfall von Kassenkräften. „Der Kostendruck gerade im Lebensmittelhandel führt dazu. Hinzu kommt ein massiver Personalmangel in allen möglichen Bereichen.“

„Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“ Selbst Beratungsdienste – wo sie noch existieren – werden an Verbraucher delegiert. „In sozialen Netzwerken beantworten Kunden Anfragen anderer Kunden, sodass aufwendige Servicecenter gar nicht mehr nötig sind.“ Dienst am einfachen Kunden, wie die Massenkonsumgesellschaft ihn bislang kannte, könnte in der Tat aussterben. „Echtes Hirn und persönlicher Service werden fast unbezahlbar und zum Luxusgut.“

Artikel 1 von 11