Wer bezahlt den Doppel-Wumms?

von Redaktion

VON VOLKER WIELAND

Die SPD macht sich auf, zu klären, wer den „Doppel-Wumms“ für bezahlbare Energie nun bezahlen soll. Vor allem sei es höchste Zeit, sich wieder mehr um die soziale Gerechtigkeit und Verteilung zu kümmern. Daneben sind noch wichtige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Klimaschutz, Energieversorgung, Mobilität und Gesundheit zu tätigen. Aber der Staat habe ein Einnahmeproblem. Deshalb müssten Steuern erhöht und neue Steuern eingeführt werden.

Nach „niemand zurücklassen“ soll nun der „reiche“ Steuerzahler Federn lassen. Man könnte meinen, die Sozialausgaben seien über Jahre gekürzt worden. Tatsächlich sind die monetären Sozialleistungen und sozialen Sachleistungen zusammengenommen von 806 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 941 Milliarden im Jahr 2021 angestiegen. Das ist ein Aufwuchs von fast 17 Prozent. Gleichzeitig ist die Wirtschaftsleistung, das heißt das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um sieben Prozent gestiegen. Somit wurde der Anteil des Erwirtschafteten, den der Staat für Soziales ausgibt, erhöht, und zwar von knapp 24 Prozent 2018 auf über 26 Prozent des BIP im Jahr 2021.

Am Volumen der Sozialausgaben liegt es also nicht. Wenn schon, dann müsste sich die SPD-Kommission damit befassen, wie diese umfangreichen Mittel besser eingesetzt werden können. Was die Einnahmen betrifft, so ist die Abgabenquote –- also Steuern und Sozialbeiträge relativ zur Wirtschaftsleistung – von 40,3 im Jahr 2018 auf 41,2 Prozent 2021 angestiegen. Die Belastung für die Wirtschaft hat damit zugenommen.

Gleichzeitig wurde die Staatstätigkeit insgesamt deutlich ausgeweitet. Die gesamten Staatsausgaben, die sich 2018 noch auf etwas weniger als 45 Prozent des BIP beliefen, haben 2021 bereits 51 Prozent und damit mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung ausgemacht.

Die deutsche Wirtschaft steht jedoch alles andere als gut da. Wenn man die Inflation herausrechnet, dann hat die reale Wirtschaftsleistung den Vor-Corona-Krisenstand von Ende 2019 gerade erst im Herbst 2022 knapp überschritten. Für 2023 wird ein leichter Rückgang erwartet. Die Industrie, das Powerhouse der deutschen Wirtschaft, hinkt hinterher. Dort liegt die Produktion noch fast 10 Prozentpunkte unter dem Höhepunkt von 2018. Manch einer sieht die Energiekrise schon erfolgreich bewältigt, weil die Industrieproduktion derzeit leicht zunimmt. Aber das liegt daran, dass deutsche Unternehmen, die einen großen Auftragsbestand vor sich hergeschoben haben, dank mehr verfügbarer Vorprodukte, Aufträge füllen können. Gleichzeitig geht jedoch die energieintensive Produktion aufgrund der hohen Energiepreise bereits deutlich zurück.

Unternehmen verlagern Produktion und Investitionen in das Ausland – insbesondere nach Nordamerika, wo Energie, vor allem Erdgas über Jahre hinaus weit kostengünstiger bleiben wird. Die Bundesregierung muss dringend handeln, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern. Das ist die Voraussetzung für den Erhalt und die Steigerung des Wohlstands in Deutschland.

In der aktuellen Energiekrise geht es darum, das Energieangebot schnell und deutlich zu steigern. Die hohen Preise geben einen Anreiz. Die Energiepolitik muss den Regulierungsrahmen reformieren und Verwaltungsprozesse verschlanken, sodass notwendige Genehmigungen sehr viel schneller erteilt werden – ob es um die Energieproduktion in Deutschland, den Import oder den Aufbau der Netze zur Verteilung geht. Die Finanz- und Steuerpolitik muss sicherstellen, dass es sich lohnt, in Deutschland zu arbeiten, zu investieren und Innovationen zu entwickeln und umzusetzen.

In Deutschland sind die Arbeitseinkommen innerhalb der OECD-Länder mit am höchsten durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge belastet. Deutschland befindet sich zudem in der Spitzengruppe bei den Unternehmenssteuern, insbesondere den effektiven durchschnittlichen Steuersätzen, die die Investitionsentscheidungen der Unternehmen beeinflussen. Zukunftskommissionen politischer Parteien sowie die Bundesregierung insgesamt sollten deshalb die Frage in den Mittelpunkt stellen, wie die hohen Staatsausgaben entsprechend umstrukturiert und priorisiert werden können, statt sich die weitere Erhöhung der Abgabenlast und des Staatsanteils der Wirtschaft auf die Fahne zu schreiben.

Zum Autor

Prof. Volker Wieland ist Stiftungsprofessor für Monetäre Ökonomie und Geschäftsführender Direktor des Institute for Monetary and Financial Stability an der Goethe-Universität Frankfurt. Wieland hat an der US-Eliteuni Stanford promoviert und arbeitete danach für die US-Notenbank. Von März 2013 bis April 2022 gehörte er dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an.

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