München – Es sind die deutschen Energiewendedaten für das Jahr 2021. „Aber man kann daraus eine Menge lernen“, betont die Direktorin des Analyseunternehmens Prognos, Almut Kirchner, in München zur Vorstellung einer Studie dazu. Denn Energiesysteme reagieren auf Veränderungen träge, vor allem in Deutschland. „Wir haben in Europa und wohl auch weltweit die geringsten Stromausfallzeiten und damit stabilsten Systeme, aber alle anderen Indikatoren stehen auf Rot“, bringt die Energieexpertin es für Deutschland auf den Punkt. Das gelte für die schon 2021 zu hohen Energiepreise, mangelnde Energieeffizienz und den auch voriges Jahr weiter gestiegenen Ausstoß von Treibhausgasen. Deutschland liege in der Klimawende teils massiv hinter allen selbst gesteckten Zielen zurück.
In vier Kategorien hat Prognos nun schon zum elften Mal den Stand der Bundesrepublik bei diesem Mammutvorhaben analysiert. Drei davon haben 2021 alle Vorgaben verfehlt, was mit dem Ausbruch der Energiekrise durch den russischen Einmarsch in der Ukraine und dessen Folgen voriges Jahr nicht besser geworden sein dürfte.
Dunkelrot und damit am alarmierendsten sieht Kirchner die Energiewende-Ampel beim Netzausbau. „Da hinken wir immer weiter hinterher, das frisst uns Geld weg“, kritisiert die Expertin. Denn die geringsten Stromausfallzeiten europaweit hat Deutschland nur, weil immer mehr Geld in Netzsicherungsmaßnahmen gesteckt wird. 2021 hätten sich die auf den historischen Höchstwert von bundesweit 2,3 Milliarden Euro summiert, rechnet Kirchner vor.
Was kostet, ist die Abregelung erneuerbarer Energien, weil Netze nicht mehr aufnahmefähig sind, oder Zuschaltung teurer Reservekraftwerke zur Netzstabilisierung. Diese Milliarden wären an anderer Stelle sinnvoller investiert, kritisiert sie. Das geht vom forcierten Ausbau erneuerbarer Energien über ein Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft bis zu energieeffizienter Produktion. Beim Ausbau erneuerbarer Energien müsste das Tempo verdoppelt werden, um dafür bestehende Ziele noch zu erreichen, sagt Kirchner. Auch 2022 sei da keinesfalls besser gelaufen. Dazu komme das Explodieren der Energiepreise, das bereits Ende 2021 vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine eingesetzt habe.
Auftraggeber der Studie ist der Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw), dessen Chef Bertram Brossardt schon aus Eigennutz mehr Wind- und Solarkraft oder auch Bioenergie und Geothermie fordert. „Denn die sind kohlendioxidfrei, nachhaltig und preisgünstig“, wirbt er. Erneuerbare Energien seien „die Mutter aller Krisenlösungen“. Der vbw wirbt auch für die Abscheidung und Speicherung des Klimagases Kohlendioxid, das in mancher Industrieproduktion als Rohstoff taugt.
Klar ist auch, dass 2022 und 2023 keine Entspannung beim Ausstoß von Klimagasen gebracht haben oder bringen werden, betont Kirchner. Denn russisches Gas müsse kurzfristig durch noch klimaschädlichere Alternativen ersetzt werden. Die Prognos-Direktorin sieht aber aktuell auch Lichtblicke. Denn die Industrie sei jetzt zu mehr Energieeffizienz gezwungen, was so rasch wie sonst nie Aktivitäten ausgelöst habe. Auch Privathaushalte gingen mit Energie derzeit bewusster um, wobei unklar sei, ob das anhält. Gestiegen sei auch die Akzeptanz für den Ausbau erneuerbarer Energien und der Netze. Proteste dagegen nähmen sichtbar ab.