Berlin – Schlemmen, staunen, Tiere streicheln: Die Agrarmesse Grüne Woche hat nach zweijähriger Corona-Pause wieder als Live-Ereignis in den Berliner Messehallen begonnen. Zahlreiche Besucher nutzten am ersten Tag die Möglichkeit, sich über die Zukunft der Landwirtschaft zu informieren und die Erzeugnisse zu kosten. Beim Auftaktrundgang probierten sich auch Bundesagrarminister Cem Özdemir und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey am Freitag durch das Angebot.
Özdemir sagte, die Messe sei auch Gelegenheit zum Dank, dass Bauern Tag für Tag dafür sorgten, dass der Tisch gedeckt sei. Dies sei nicht selbstverständlich, weil es auf der Erde auch Menschen gebe, „die hungrig ins Bett gehen müssen“, sagte der Grünen-Politiker. Bis zum 29. Januar präsentieren sich auf der Messe 1400 Aussteller aus 60 Ländern. Die Veranstalter erwarten rund 300 000 Gäste.
In den Tagen vor Beginn der Messe dominierten die Themen Inflation, Tierwohl und der strauchelnde Biomarkt die Diskussionen zwischen Branchenvertretern und Politik. Özdemir sagte, wenn man über die Inflation und Energiepreise spreche, lande man beim Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Deshalb gelte: „Dieser Krieg muss enden.“ Russland und die Ukraine sind auf der Messe nicht vertreten.
Rund um den Messebeginn vielfach diskutiert wurde über die Forderung nach einer Mehrwertsteuersenkung für bestimmte Lebensmittel. Das breite gesellschaftliche Bündnis „Wir haben es satt“, das für den heutigen Samstag zu einer Demo mit 50 Traktoren am Brandenburger Tor aufgerufen und dazu 10 000 Teilnehmer angemeldet hat, fordert eine Senkung für „klimagerechte Lebensmittel“. Özdemir wünscht sich eine Senkung für Obst und Gemüse, nicht aber für tierische Erzeugnisse.
Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte dazu: „Wir brauchen einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel.“ Eine Lenkung des Konsums über die Steuer sei nicht in seinem Sinne. Grundsätzlich dürfe die Mehrwertsteuer für Lebensmittel „gern niedriger sein als die aktuellen Sätze, über die Höhe kann man diskutieren“. Den heimischen Anbau von Obst und Gemüse sieht Rukwied gefährdet. Beim Spargel und bei den Erdbeeren seien im vergangenen Jahr Felder nicht mehr abgeerntet worden, weil der italienische Spargel nur drei Euro je Kilo gekostet habe. „Mit solchen Preisen können wir nicht mithalten“, kritisierte Rukwied und forderte einen europäischen Mindestlohn.
Während das große Flächenland Baden-Württemberg in diesem Jahr überraschend fehlt, lockt die Bayernhalle 22b mit über 50 Ausstellern und Spezialitäten von Käse über Wein und Bier bis hin zu Säften von Streuobstwiesen die Besucher an. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, die erstmals nach ihrem schweren Verkehrsunfall wieder in der Öffentlichkeit aufgetreten ist, präsentierte Bayern als gastfreundliches deutsches Urlaubsland. 50 Musik- und Trachtengruppen sind aus dem Freistaat nach Berlin gereist, um zu zeigen, wie in Bayern musiziert, getanzt und gefeiert wird. Die Streuobstwiesen stehen in diesem Jahr im Mittelpunkt der Präsentation. „Sie haben eine enorme Bedeutung für unsere einzigartige Kulturlandschaft“, betonte Kaniber. Der Freistaat stellt dafür in den nächsten Jahren 600 Millionen Euro zur Verfügung, um die jahrhundertealte Tradition für die nächsten Generationen zu sichern. Der Anbau auf den Streuobstwiesen schützt den Bestand von über 2000 Obstsorten. Daraus werden in Bayern mit viel Erfahrung und Sorgfalt die verschiedensten Produkte hergestellt, die auch auf der Grünen Woche angeboten werden: köstliche Säfte, edle Brände und schmackhafte Marmeladen. „Wir wollen die Grüne Woche gezielt nutzen, um diese Spezialitäten bei den Verbrauchern bekannt zu machen“, sagte Michaela Kaniber. Zugleich wird der Stand des Landwirtschaftsministeriums auch für den politischen und wirtschaftlichen Austausch genutzt. So traf Kaniber am Freitag den österreichischen Agrarminister Norbert Totschnig – beide machen sich für eine nachhaltige Tierhaltung stark. dpa/cm