München – Schon zum dritten Mal läutet das Totenglöckchen für das innovative Solarzellenauto Sion. Zweimal konnte es zum Verstummen gebracht werden, doch nun schien das Ende unvermeidlich. Es klaffte eine Finanzierungslücke von 100 Millionen Euro. Eine Rettungskampagne, die bis zum gestriegen Donnerstag befristet war, stand wenige Stunden vor Auslaufen bei beachtlichen, aber nicht ausreichenden knapp 48 Millionen Euro. Nun wird sie auf den letzten Drücker bis Ende Februar verlängert, weil auch von anderer Stelle Hoffnung winkt.
„Wir befinden uns in laufenden Gesprächen mit potenziellen Investoren und denken, dass wir mit der Verlängerung der Kampagne unser Ziel von 100 Millionen Euro erreichen und das Sion-Programm fortsetzen können“, erklärt Start-up-Mitgründer Laurin Hahn.
Mit wem er und seine Mitstreiter als potenziellen Neuinvestoren spricht, bleibt vorerst ein Geheimnis. Aber verloren scheint die Sache nicht mehr. Beeindruckt haben die aktuellen Gesprächspartner offenbar auch die jüngsten Kundenreaktionen. Anzahlungen für neue Vorbestellungen seit Kampagnenstart Anfang Dezember haben immerhin fast die Hälfte der zum Weiterarbeiten benötigten Summe eingebracht.
Weil das Start-up Sono Motors mit dem Solarzellenauto europaweit gerade Testfahrten anbietet und bis Ende Februar in zwölf Städten noch Stopps einlegen will, könnte sich die Summe allein von daher noch erhöhen. Dann hinge es an Investoren, den fehlenden Rest beizusteuern.
Nach diesem Strickmuster konnte schon vor drei Jahren nicht nur der Sion, sondern das ganze Unternehmen gerettet werden. Damals kamen per Crowdfunding-Kampagne im Internet binnen weniger Wochen ebenfalls 50 Millionen Euro zusammen. Damals hatten Investoren einen fehlenden Rest aufgestockt.
Ein zweites Mal gerettet hatte sich Sono erst vor Jahresfrist per Börsengang in den USA. Auch damals drohte das Geld auszugehen. Aktuell ist nicht das ganze Unternehmen gefährdet, aber das Hauptprojekt Sion. In die Karosserie des Elektroautos sind fast unsichtbar Solarzellen integriert, die beim Parken oder Fahren unter der Sonne in unseren Breitengraden für wöchentlich rund 112 Kilometer elektrischer Zusatzreichweite zum Nulltarif sorgen. Für nächstes Jahr war der Produktionsbeginn bei einem Auftragsfertiger in Finnland geplant. Ohne aktuell noch fehlende gut 50 Millionen Euro kommt es aber nicht dazu.
Weiterlaufen könnte dagegen in diesem negativen Fall das Geschäft mit dem zweiten Standbein des 2016 gegründeten Jungunternehmens. Das ist der Verkauf der Solarzellentechnologie für Drittanwender wie Hersteller von Bussen, Kühlfahrzeugen oder Lkw. Auch dort wirken die Solarzellen reichweitenverlängernd. In diesem Bereich hat Sono bereits Umsätze erzielt. Als vermeintliches Hauptgeschäft aber gilt der Sion, dessen Rettung nun etwas wahrscheinlicher geworden ist.
Wer ihn bestellt und eine Anzahlung leistet, muss auch im Fall eines Scheiterns nicht mit einem Verlust des angezahlten Geldes rechnen, versichert Sono. Jetzt von potenziellen Käufern angebotene Gelder würden nur abgebucht, wenn die volle Rettungssumme zusammenkommt. Die Liquidität reiche zudem aus, alle jene auszubezahlen, die schon vor dem Start der jüngsten Rettungskampagne eine Anzahlung geleistet haben. Insgesamt zählt Sono für den Sion bislang rund 44 000 Vorbestellungen, davon knapp die Hälfte mit Anzahlung.
Wird das Auto am Ende gebaut und jeder, der vorbestellt hat, kauft am Ende auch, entspreche das rund einer Milliarde Euro Umsatz, rechnet Sono vor. „Unser Plan, dem Markt und Investoren mit wachsenden Reservierungen, Zahlungszusagen und zusätzlichen Mitteln von fast 50 Millionen Euro ein deutliches Signal zu senden, scheint aufzugehen“, kommentiert Hahn die jüngste Entwicklung. Es lohne sich zu kämpfen für den Sion und eine Welt ohne fossile Energien. Gerade hätten Crashtests für das Fahrzeug begonnen. In dem Stadium steckt auch die Finanzierung.